Geschlechtervielfalt anerkennen und schützen – Erfordernis von Personenstandsangaben überprüfen, Transsexuellengesetz abschaffen

Karola Stange
RedenKarola Stange

Zum Antrag der Fraktion der FDP*), Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, Änderungsantrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Parlamentarischen Gruppe der FDP - Drucksache 7/1138

Zum Antrag der Fraktion der FDP*), Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, Änderungsantrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Parlamentarischen Gruppe der FDP - Drucksache 7/1138

 

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, werte Zuhörer auf der Tribüne oder am Livestream, ich fange mal mit einem kurzen Rückblick auf Frau Herold an. Ich glaube, darauf haben Sie auch gewartet und der ist so richtig. Frau Herold, Hass tötet. Hass tötet! Und was Sie hier an dem Pult vor wenigen Minuten gesagt haben, ist purer Hass.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Der durch Sie geäußerte pure Hass „Transgendermenschen“ gegenüber bringt unter anderem folgende Ereignisse zum Tragen, dass sie von anderen, anderslebenden Menschen gehasst und zum Teil totgetreten werden. Ein Beispiel ist Jess, ein 15-jähriger Junge, der im falschen Körper geboren wurde. Er ist in Herne durch andere Jugendliche niedergetreten worden, sodass er wochenlang im Koma lag und ums Leben gerungen hat. Genau solche Reden, wie Sie hier im Thüringer Landtag zu dieser Thematik von sich geben, bringt den Hass in der Gesellschaft immer wieder auf den Punkt und bringt natürlich auch ganz viel Frust und Nichtakzeptanz von anderen Lebensweisen, der einfach an der Stelle noch mal deutlich artikuliert werden muss.

 

(Zwischenruf Abg. Dr. Lauerwald, AfD: Was ist medizinischer Sachverstand gegen Ideologie?)

 

Ihren begrenzten Horizont an der Stelle will ich noch mal eindeutig formulieren. Ich habe mir die Mühe gemacht – und ich sage, ich lege meine Rede zur Seite – und werde aus der Zeitschrift „an.schläge“ einige Dinge artikulieren, denn besser geht es nicht: Kaum sind wir geboren, sagte Alexa Michelle Schwarz, sie ist Transgenderaktivistin im Vorstand des Transgendervereins TransX und leitet einen trans*Support in der Trans-Selbsthilfegruppe und Beratungsstelle Courage. Kaum sind wir geboren, nimmt uns das Geschlecht in Geiselhaft. Jemand Fremdes trifft mit seinem Blick zwischen unsere Beine, eine schlichte Vorbestimmung auf unser Leben. Weiblich oder Männlich. Damit haben wir unseren Platz in der heteronormativen Gesellschaft samt Erwartung bereits bekommen und uns wird natürlich eine gewisse Erwartungshaltung gegeben. Transgender sind Menschen, die jenseits dieser heterogesellschaftlichen Norm über das herkömmliche Verhältnis von Geschlecht hinaus leben. Denn ihr Geschlecht ist nicht jenes, welches ihnen bei der Geburt fremdbestimmt zugewiesen wurde, tatsächlich ist es entweder das jeweilige andere oder die transexzeptionelle Kategorie Mann oder Frau. Genau das ist das Thema, das muss man sich genau anschauen und akzeptieren. Weiterhin sagte Miriam, sie ist ebenfalls Transgender und sie schrieb einen Artikel gegen die Verachtung. Die meisten Menschen – Frau Herold, dazu gehören Sie –, die über Transgender-Personen diskutieren, machen sich wenig Mühe, unsere Lebensrealität und unser politisches Anliegen zu begreifen und konkrete Darstellungen. Stattdessen werden wir entweder zu armen Geisteskranken mit schweren Schicksalen oder zu schrillen aufmüpfigen Minderheiten mit völlig absurden Forderungen erklärt. Ich bin lesbisch, Mutter eines Kindes, ich arbeite als Softwareentwicklerin, ich spiele in meiner Freizeit gern Videospiele und ich bin trans, sagt sie und ich finde mein Leben, so wie es ist, ziemlich gut, in allen Dingen. Denn durch meine Existenz stelle ich die Frage, das Geschlecht ist nicht an ein bestimmtes Aussehen, es ist nicht eine bestimmte Körperform und es ist nicht an ein bestimmtes Organ gebunden.

 

Genau diese Themen, werte Kolleginnen und Kollegen, haben wir in der bereits mehrfach erwähnten Anhörung ganz oft gehört. Wir haben bereits gehört, dass wir uns zwei Jahre als Ausschuss gemeinsam mit den Fraktionen der FDP, der CDU und natürlich Rot-Rot-Grün inhaltlich zu diesem Thema verständigt haben. Ich finde es sehr gut, dass wir heute endlich einen Antrag verabschieden, der sowohl noch mal bestimmte Grundsätze darlegt, der die Landesregierung auffordert, eine Verordnung auf den Weg zu bringen, aber auch eine Bundesratsinitiative. Ich finde, es ist schon ein Stückchen – ich will sagen – Pionierarbeit, dass wir es geschafft haben, bei dieser Thematik, so hoffe ich, eine ausreichende Mehrheit hinzubekommen.

 

Ich möchte an der Stelle noch mal, wie es bereits Vorrednerinnen und Vorredner gemacht haben, aus den Stellungnahmen einiger Anzuhörender zitieren. Ich zitiere hier aus der Stellungnahme des Bundesverbandes Trans* zu unseren beiden Anträgen, die Ursprungsanträge waren. Da wurde uns mitgeteilt: „[Es] geht um Grundrechte, die aktuell nicht ausreichend geschützt sind. Bei den Anträgen handelt es sich um richtungsweisende Vorschläge“. Ich zitiere weiterhin aus der Stellungnahme von QueerWeg e. V.: „In den 40 Jahren seines Bestehens ist das [Transsexuellengesetz] ferner eine Rechtsnorm der Fremdbestimmung und Pathologisierung: So mussten sich Personen lange Zeit vor einem [Transsexuellenverfahren] fortpflanzungsunfähig machen und scheiden lassen. Auch heute noch müssen sich trans* Menschen zwingend von Psycholog_innen und Ärzt_innen zu ihrer Geschlechtsidentität begutachten lassen […]. Dieses Begutachtungs- und Gerichtsverfahren ist dabei nicht nur kosten- und zeitintensiv, sondern wird von trans* Personen als fremdbestimmt […] empfunden.“ Und ich denke, werte Kolleginnen und Kollegen, die nachher diesem Antrag zustimmen: Das hat nichts mit Selbstbestimmung zu tun, sondern das ist Diskriminierung in einer sehr hohen Form.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ich will als Letztes noch den Lesben- und Schwulenverband Thüringen hier kurz benennen. Der fordert uns auf, den Antrag auf den Weg zu bringen, die Antragslösung, das heißt, die Änderung der Vornamen oder des rechtlichen Geschlechts soll endlich abgeschafft werden. Ich fände, wir machen einen ersten Schritt mit einer Verordnung und das ist endlich auf den Weg zu bringen mit der Verordnung bis nächstes Jahr.

Ein Letztes ist die Deutsche Gesellschaft für Transintensität und Sexualität e. V.: Über die Geschlechtszugehörigkeit kann nur jeder Mensch selbst entscheiden und sprechen. Und an dieses Wort sollten wir uns wirklich erinnern. Danke schön und ich bitte um Zustimmung im Namen der Fraktion Die Linke zu dem heute vorliegenden Antrag.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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