Der Verantwortung für eine friedfertige Welt gerecht werden

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/990 -

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/990 -


I. Der Thüringer Landtag bekennt sich zu seiner politischen und ethischen Verantwortung, seine parlamentarischen und außerparlamentarischen Möglichkeiten zu nutzen, einen Beitrag für ein friedliches Zusammenleben zwischen Menschen und Staaten zu leisten. Alle parlamentarischen Vorhaben müssen darauf gerichtet sein, Entscheidungen auszuschließen, die kriegerische und gewaltsame Auseinandersetzung hervorrufen und fördern. Die aktive Förderung ziviler und gewaltfreier Konfliktlösungsstrategien ist dagegen Selbstverpflichtung Thüringer Landespolitik.


II. 1. Die Landesregierung wird im Rahmen ihrer bildungspolitischen Zuständigkeit aufgefordert,

- für alle Schultypen und Klassenstufen "Friedenserziehung" als Querschnittsaufgabe im Lehrplan verbindlich festzuschreiben;

- Friedenserziehung auf der Grundlage des UNICEF-Programms zur Friedenserziehung als festen Bestandteil in der politischen Erwachsenenbildung in Thüringen zu etablieren;

- sämtliche Werbe- und Informationsveranstaltungen der Bundeswehr in Schulen auch außerhalb des Unterrichts zu untersagen.


II. 2. Die Landesregierung wird mit dem Ziel der Stärkung einer Kultur des Friedens aufgefordert,

- ein Konzept für Maßnahmen zur Zurückdrängung militärischer Symbolik aus der Alltagskultur zu erarbeiten, dem Landtag informativ vorzulegen und umzusetzen;

- Kunst- und Kulturinitiativen zu stärken, die sich explizit dem Thema des Friedens, der friedlichen Konfliktvermeidung und -lösung sowie der Verständigung zwischen Menschen widmen;

- gegenüber dem Bundesverteidigungsministerium den Willen des Thüringer Landtags zum Ausdruck zu bringen, dass für die Benennung militärischer Einheiten, Operationen und Militärtechnik, wie zum Beispiel Schiffe und Flugzeuge, der Bundeswehr keine geographischen Bezeichnungen verwendet werden, die auf Thüringen und seine Gemeinden Bezug nehmen.


II. 3. Die Landesregierung wird im Rahmen ihrer wirtschaftspolitischen Kompetenz aufgefordert,

- ein Wirtschaftsförderprogramm aufzustellen, das die Umstellung von rüstungsrelevanter Produktion und Entwicklung auf eine zivil ausgerichtete Unternehmenstätigkeit befördert;

- dafür Sorge zu tragen, dass zukünftig keine Berufsberatung der Bundeswehr im Rahmen der Arbeitsagenturen und ARGEn sowie in sonstigen öffentlichen Einrichtungen in Thüringen stattfinden wird;

- als Gesellschafter am Flughafen Erfurt sicherzustellen, dass der Flughafen weder unmittelbar noch mittelbar militärisch genutzt wird.


II. 4. Die Landesregierung wird aufgefordert, im Rahmen ihrer Hochschulpolitik

- auszuschließen, dass Thüringer Universitäten einen Beitrag für die Forschung und Entwicklung von rüstungsrelevanten Produkten und Technologien leisten;

- die Einrichtung eines Lehrstuhls zur Friedens- und Konfliktforschung an einer Universität durch eine Rahmenvereinbarung mit der Universität und durch Sicherung der Finanzierung zu befördern;

- in Forschung und Lehre die Umsetzung der UN-Resolution 1325 "Women, Peace and Security" zu integrieren;

- dafür Sorge zu tragen, dass die Bundeswehr keine Werbe- und Informationsveranstaltungen durchführt sowie keine Lehrtätigkeit an Thüringer Fachschulen, Hochschulen und Universitäten ausübt.


II. 5. Die Landesregierung wird mit dem Ziel der Konversion militärischer Liegenschaften aufgefordert,

- gegenüber der Bundesregierung die Aufgabe des militärischen Truppenübungsplatzes in Ohrdruf zu fordern und ein Konzept zur zivilen Nachnutzung unter besonderer Beachtung des ökologischen Potentials, zum Beispiel für die Gewinnung regenerativer Energien oder als Naturschutzzone, zu erarbeiten;

- gemeinsam mit lokalen Akteuren und Vertretern der Wirtschaft Nachnutzungskonzepte für die durch die Bundeswehr genutzten Standorte in Thüringen zu erarbeiten, die derzeit bestehende Wirtschaftskreisläufe und wirtschaftliche Abhängigkeiten mit berücksichtigen.


II. 6. Die Landesregierung wird im Rahmen ihrer innenpolitischen Verantwortung aufgefordert,

- sicherzustellen, dass Thüringer Polizeibeamtinnen und -beamte bei Einsätzen im Ausland ausschließlich zur Ausbildung von Polizeibeamtinnen und -beamten eingesetzt werden; der Einsatz darf keine militärischen Ziele, einschließlich einer militärischen Ausbildung, verfolgen;

- dem Thüringer Landtag einen Gesetzentwurf mit dem Ziel vorzulegen, in Thüringen dauerhaft militärische Zeremonien und Rituale ebenso zu untersagen wie die Zurschaustellung militärischer Technik im öffentlichen Raum;

- gegenüber der Bundesregierung die Rücknahme der Einrichtung von Tiefflugkorridoren zur Nutzung für die Bundeswehr und andere Armeen über Thüringen zu fordern und gegebenenfalls erteilte Zustimmungen zurückzuziehen.


II. 7. Die Landesregierung wird aufgefordert, im Rahmen ihrer Bundesratspolitik

- dafür Sorge zu tragen, dass die mit dem G8 Gipfel in Gleneagles und dem "Millennium + 5" Gipfel in New York vereinbarten Ziele gegenüber den sogenannten Entwicklungsländern eingehalten werden;

für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur zusätzlichen Finanzierung globaler Aufgaben zur Vermeidung von Armut, Flucht, Umweltkatastrophen und Verteilungskämpfen einzutreten;

sowie

- vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Bundesrepublik Deutschland in Afghanistan unmittelbar kriegsbeteiligt und dieser Einsatz durch das Mandat des Bundestags nicht mehr legitimiert ist, für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan einzutreten und an dessen Stelle ein bundesdeutsches Programm zu setzen, das den zivilen Wiederaufbau des Landes aktiv unterstützt und fördert;

- vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Bundesrepublik Deutschland der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt ist, für ein Verbot der Herstellung, Nutzung und des Vertriebes von Streubomben und Landminen ebenso wie für ein generelles Verbot von Rüstungsexporten einzutreten;

- sich für die Umsetzung der UN-Resolution 1325 "Women, Peace and Security" einzusetzen, zu deren Zielen unter anderem gehört, diejenigen zu verfolgen, die Kriegsverbrechen an Frauen begehen, Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten besonders zu schützen, mehr Frauen bei friedensschaffenden Missionen einzusetzen und Frauen verstärkt an Friedensverhandlungen, Mediation und Wiederaufbau zu beteiligen.


III. Der Thüringer Landtag ist stetig über die Umsetzung dieses Beschlusses zu unterrichten. Hierzu wird jährlich ein Bericht öffentlich vorgelegt.


Begründung:


Das Eintreten für Frieden und die Zurückdrängung von Krieg und Gewalt als Bestandteil inner- und zwischenstaatlicher sowie personaler Konflikte ist nicht alleinige Aufgabe von Diplomaten und Außenministerien der Nationalstaaten. Vielmehr muss sie zum Handlungsleitfaden aller Bereiche des gesellschaftlichen Lebens werden und somit auch des Freistaates Thüringen, der Landesverwaltung und der Kommunen.


Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen in den Bereichen der Bildungs-, Hochschul-, Wirtschafts- und Innenpolitik bekennt sich der Freistaat Thüringen nicht nur zu seiner bestehenden Verantwortung, selbst einen Bei- trag für eine aktive Friedenspolitik zu leisten, sondern untersetzt dies auch durch konkrete Maßnahmen innerhalb seines eigenen Verantwortungsbereiches.


Dieser Antrag legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Bildungspolitik, die Friedens- und Konfliktforschung sowie die Zurückdrängung des Militärischen aus der Alltagskultur.


Zum einen muss die Abkehr des Konzepts des militärischen Eingreifens in den Köpfen der Menschen entstehen. Nur wer die gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge von Konfliktursachen kennt und weiß, wie ihnen zivilgesellschaftlich zu begegnen ist, wird eine ernsthafte Alternative zu bewaffneten Einsätzen in ethisch schwierigen Konfliktlagen in Erwägung ziehen. Wer glaubt, nur mit Waffen Frieden schaffen und Menschenrechte schützen zu können, gerät schnell in den Sog militärischer Logik und selbst in Zugzwang, zum Schutz von Menschen Waffen auch einsetzen zu wollen.


Um zu einer anderen - friedensorientierten - Politik zu gelangen, ist es notwendig, das Militärische als gleichberechtigte Handlungsoption in Frage zu stellen und in den Schulen sowie im öffentlichen Raum als etwas vermeintlich Normales zurückzudrängen. Wenn Schülerinnen und Schüler sowie junge Frauen und Männer von militärischer Symbolik und ebensolcher Zeremonien in Schule und Öffentlichkeit umgeben sind, lernen sie diese als positiven Ausweg zu akzeptieren und nicht den schwierigeren Weg von Verhandlungen und zivilen Engagements als anzustrebende Lösung anzuerkennen.


Um dauerhaft auf Militärforschung, Waffenproduktion und -einsatz verzichten zu können, bedarf es nachhaltiger Konzepte zur Umsteuerung von Forschung und Wirtschaft. Die Rüstungsindustrie ist eine der größten Exportindustrien in Deutschland und somit einer der größten Arbeitgeber. Um dort beschäftigten Menschen und den Unternehmen nicht die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen, ist es notwendig, die Umstellung rüstungsrelevanter Forschung und Produktion auf zivile Nutzung zu fördern.


Neben den landespolitischen Aspekten gilt es aber auch den Einfluss Thüringens im Bundesrat zu nutzen, um auch hier die friedenspolitischen Ansätze gegen die vorherrschende Militärlogik durchzusetzen, beispielsweise auch sowohl in Bezug auf das militärische Agieren als auch hinsichtlich der Entwicklung ziviler Alternativen in Afghanistan.


Gleichzeitig muss eine konsequente, finanziell gut ausgestattete Entwicklungspolitik dazu beitragen, Armut zu bekämpfen und Bildung zu ermöglichen, so dass Ursachen für Konflikte rechtzeitig entschärft werden. Wenn Menschen frei von Not in Würde leben können, entstehen wesentlich weniger existentielle Konflikte, die mit Waffengewalt ausgetragen werden.


Entsprechend der UN-Resolution 1325 müssen in verstärktem Maße Frauen in die Friedens- und Konfliktforschung sowie -bewältigung einbezogen werden. Zum einen sind Frauen von Kriegen immer überdurchschnittlich betroffen, weil sie nicht nur einen großen Teil der zivilen Opfer stellen, sondern häufig auch als "Kriegsbeute" Vergewaltigungen ausgesetzt sind. Zum anderen können umfassende zivile Lösungen, bei denen die Bevölkerung mit eingebunden werden muss, nur mit der gemeinsamen Kraftanstrengung beider Geschlechter und ihrer jeweiligen spezifischen Erfahrungen umgesetzt werden und zur Grundlage für nachhaltige Konzepte zur Krisenbewältigung werden.

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