Finanzmärkte regulieren – Demokratie und Binnenwirtschaft stärken

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/956 -

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/956 -


Die Landesregierung wird aufgefordert,


I. sich im Bundesrat umgehend für eine Regulierung der Finanzmärkte einzusetzen; Bestandteile dieser Regulierung sollen sein:

1. Verbot von Credit Default Swaps (CDS) und Leerverkäufen in Deutschland; Einsatz für ein Verbot auf EU- und internationaler Ebene;

2. umgehende Einführung der Finanztransaktionssteuer auf nationaler Ebene; Einsatz für die Einführung auch auf EU- und internationaler Ebene;

3. Einführung einer Banken- und Versicherungsabgabe nach US-Vorbild unter Ausnahme der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die zu Mehreinnahmen von mindestens neun Milliarden Euro jährlich für die öffentlichen Haushalte führt;

4. Erhebung einer Sonderabgabe auf hohe Boni in der Finanzbranche;

5. Sicherstellung der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte vor allem durch folgende Maßnahmen:

- stärkere Besteuerung von Reichen und Vermögenden und Sicherung des Steuervollzugs,

- deutliche Zurückführung der Rüstungs- und Militärausgaben, vollständiges Exportverbot für Rüstungsgüter; 6. Einleitung einer grundlegenden Richtungsänderung der auf Außenhandelsüberschüsse abzielenden Wirtschaftspolitik; Beendigung der Akzeptanz von "Lohndumping in Deutschland"; Vorantreiben von grundlegenden Strukturreformen in der EU und der EURO-Zone, die die EU-Länder auf ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht und eine koordinierte Wirtschafts-, Lohn- und Steuerpolitik verpflichten;


II. in Thüringen selbst eine stärkere Orientierung der Wirtschaftspolitik auf den Binnenmarkt vorzunehmen; dazu muss die gesamte bisherige Förderpolitik überprüft und eine aktive Vernetzung von Wirtschafts-, Struktur-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik vorangetrieben werden, um alle zur Verfügung stehenden Potenziale für die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen sowie den notwendigen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft zu nutzen; in den Mittelpunkt sind solche zukunftsfähigen Themen und Branchen zu stellen, wie

- erneuerbare Energien, Umwelttechnologie/Umwelt- und Energietechnik,

- Kulturwirtschaft, Denkmalpflege und Tourismus,

- öffentliche Daseinsvorsorge und

- der Gesundheits- und Pflegebereich;

die Landesregierung soll darüber dem Landtag bis zum 31. Dezember 2010 berichten;


III. bis zum 31. Dezember 2010 ein Landeskonversionsprogramm zu erstellen und dem Landtag vorzulegen. Dabei soll auch auf die bisherige und künftig geplante Förderung von Forschung und Entwicklung sowie der Produktion militärisch nutzbarer Güter und die Entwicklung von militärisch genutzten Standorten eingegangen werden.


Begründung:


Zu I.: Die weitere Verschärfung der Finanz- und Wirtschaftskrise verlangt ein energisches Handeln aller am politischen Prozess Beteiligten. Die "Logik" an Finanzmärkten gefährdet den Wohlstand der Menschen und letztlich die Demokratie. Die Politik muss den Primat über die Ökonomie wieder herstellen. Falsche politische Entscheidungen der Vergangenheit rächen sich jetzt. Die Deregulierung der Finanzmärkte, der Grundsatz "Privat vor Staat", die Steuerpolitik der letzten Jahre mit einer immer stärkeren Entlastung der Vermögenden und der globalen Finanzakteure, die Aushöhlung des tariflichen Normalarbeitszeitverhältnisses mit dem massiven Anstieg von Armutslöhnen, Zeitarbeit und prekärer Beschäftigung, die Schwächung der staatlichen Einnahmebasis und Investitionskraft - all dies waren Maßnahmen und Ergebnisse einer Politik der letzten Jahre, die zur heutigen globalen Krise des Kapitalismus geführt haben. Kosmetische Operationen helfen nicht weiter, sie befördern im Gegenteil den weiteren Vertrauens- und Kaufkraftverlust vieler Akteure im wirtschaftlichen Prozess. Zugleich drohen die Grundlagen einer auf demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozessen basierenden Gesellschaft ad absurdum geführt zu werden. Ein "weiter so" führt in die Katastrophe. Die Thüringer Landesregierung darf bei der notwendigen Neujustierung des politischen und wirtschaftlichen Rahmens, die durch die aktuellen Probleme im Finanzsystem immer offenbarer wird, nicht passiv bleiben, sondern muss im Bundesrat gegenüber der Bundesregierung und den anderen Bundesländern aktiv werden: für eine dringliche Regulierung der Finanzmärkte, für eine gerechtere Steuerpolitik, für einen gerechteren Steuervollzug und für die Absage an eine aus ethischen und finanziellen Gründen nicht akzeptable Rüstungspolitik. Des Weiteren muss es in Europa endlich auch zu einer abgestimmten Wirtschafts-, Lohn- und Steuerpolitik kommen, die die Dominanz einzelner Staaten verhindert und so zum Abbau bestehender Außenwirtschaftsungleichgewichte beiträgt.


Zu II.: Eine stärkere Orientierung auf die Belange des Binnenmarktes ist angesichts der tiefen wirtschaftlichen Krise in Europa dringend notwendig. Auch Thüringen muss sich dem stellen und eine Wirtschafts-, Struktur-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik entwickeln, die diesem Ziel stärker Rechnung tragen kann. Damit können nicht nur in Thüringen Arbeits- und Ausbildungsplätze gesichert werden, sondern es wird damit auch ein Beitrag zum Abbau des weltweit und in Europa bestehenden Handelsungleichgewichtes geleistet. Dies ist notwendig, um den Euro als Gemeinschaftswährung dauerhaft zu stabilisieren und gegenüber spekulativen Angriffen zu schützen.


Zu III.: Mit Blick auf unsere ethische Verantwortung und die Kosten von Rüstung soll Thüringen Vorreiter bei der Erarbeitung eines Landeskonversionsprogramms werden. Dies würde neben der ethischen Dimension dauerhaft zu einer fiskalischen Entlastung der öffentlichen Haushalte führen und somit einen nachhaltigen Beitrag zu der Konsolidierung leisten.

Dateien