Polizeibeschwerdestelle für Thüringen

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/959 -

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/959 -


Die Landesregierung wird aufgefordert,


1. noch im Jahr 2010 eine Polizeibeschwerdestelle für Thüringen einzurichten;

- die Polizeibeschwerdestelle soll sowohl für Beamtinnen und Beamte und Tarifbeschäftigte bei der Thüringer Polizei als auch für Bürgerinnen und Bürger für Anliegen und Beschwerden außerhalb eines dienstrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Wegs offen sein; dabei ist durch Organisation, strukturelle Anbindung und personelle Besetzung die Neutralität und Unabhängigkeit so- wie das anonyme Aufsuchen der Beschwerdestelle sicherzustellen;

- durch geeignete Rechtsinstrumente ist die Polizeibeschwerdestelle dahin gehend zu befähigen, den vorgetragenen Anliegen und Beschwerden sachgerecht nachzugehen; ihre Aufgaben, Kompetenzen und Befugnisse sind entsprechend zu bestimmen; zu den Befugnissen gehören zwingend ein Zutrittsrecht zu allen Polizeidienststellen sowie ein Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht gegenüber den Polizeidienststellen; in jedem Fall soll die Polizeibeschwerdestelle von selbst tätig werden bei einem Einsatz von Handfeuerwaffen, tödlichen Verkehrsunfällen unter Beteiligung von Polizeifahrzeugen, Todesfällen im Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen sowie Todesfällen im Polizeigewahrsam;

- die Polizeibeschwerdestelle erstellt einen jährlichen Bericht, der der Öffentlichkeit vorgestellt wird;


2. die Einrichtung der Polizeibeschwerdestelle unter Beteiligung des Hauptpersonalrats sowie der Gewerkschaften vorzunehmen;


3. den Innenausschuss des Thüringer Landtags über die Vorbereitung der Einrichtung sowie über die übertragenen Aufgaben und Kompetenzen zu unterrichten.


Begründung:


Eine Reihe von Polizeiskandalen und -missständen in Thüringen beschäftigte in den letzten Jahren immer wieder Öffentlichkeit, Medien und Parlament. Dabei sind äußere Ereignisse und interne Probleme zu unterscheiden. Die bestehenden Instanzen konnten diese Vorgänge nicht immer vollständig noch unvoreingenommen aufarbeiten. Insbesondere die Hürden für eine nachträgliche rechtliche Überprüfung von polizeilichen Maßnahmen vor den Verwaltungsgerichten führen dazu, dass Bürgerinnen und Bürger polizeiliche Maßnahmen nach ihrem Empfinden hilflos über sich ergehen lassen müssen. Eine objektive Kontrolle und Bewertung, ob der Richtigkeit der polizeilichen Maßnahme, aber auch die objektive Feststellung, dass die empfundene Falschbehandlung rechtskonform und angemessen war, fehlt und führt zu einem Ansehensverlust der Polizei.


Eine Polizeibeschwerdestelle kann die demokratische Kontrolle des Teils der Exekutive stärken, der mit den intensivsten Eingriffsrechten gegen- über dem Bürger in dessen Grundrechte ausgestattet ist. Eine derartige Stelle könnte den angestrebten Wandel im Selbstbild der Polizei befördern. "Die Mauer des Schweigens", die heute noch die Polizei umgibt und auch viele Beamte daran hindert, produktiv mit Fehlern umzugehen, könnte so durchbrochen werden. Dort, wo eine derartige Kommission arbeitet (z. B. Großbritannien), hat sich die Zufriedenheit der Bürger mit der Polizei als auch die der Beamten selbst deutlich erhöht.


Die Polizeibeschwerdestelle kann eine staatsanwaltschaftliche bzw. dienstrechtliche Aufarbeitung verfolgungswürdiger Vorkommnisse nicht ersetzen. Sie kann Vergleiche vorschlagen, die Einleitung von o. g. Maßnahmen empfehlen, Entschädigungszahlungen vorschlagen, Änderungen polizeilicher Verhaltensmaßregeln und Trainingsmaßnahmen anregen oder eine Beschwerde als unbegründet zurückweisen, wenn sie sich als unbegründet erweist.


In der Sendung "Fakt ist ..." des MDR am 22. März 2010 äußerte sich der Thüringer Innenminister hinsichtlich einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle dahin gehend, dass er sich vorstellen könne, eine solche zu schaffen. "Bürger könnten sich dann an diese Stelle wenden, um sich über die Polizei zu beschweren. Zugleich wäre es auch Polizisten möglich, auf diesem Wege auf Missstände hinzuweisen. Gute Erfahrungen mit solchen Kontrollinstanzen gebe es zum Beispiel in skandinavischen Ländern." (mdr online vom 24. März 2010; www.mdr. de/thueringen/7190254.html)

In diesem Anliegen soll der Thüringer Innenminister die Unterstützung des Thüringer Landtags erfahren, der mit dem vorliegenden Antrag selbst Vorschläge zur organisatorischen Ausgestaltung der Polizeibeschwerdestelle unterbreiten kann.

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