Thüringer Gesetz über die Feststellung des Landeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/886 - Entschließung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/473 - hier: Zivilgesellschaft und Rechtsstaatlichkeit stärken

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/886 - Entschließung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/473 - hier:Zivilgesellschaft und Rechtsstaatlichkeit stärken


1. Verbesserungen in den Arbeitsstrukturen im Bereich der Schwerpunktstaatsanwaltschaft(en) für Wirtschaftsstrafsachen


Die Landesregierung wird aufgefordert, die schon mit dem Vollzug des Haushalts 2010 möglichen personellen Verstärkungen/Umstrukturierungen und arbeitsorganisatorischen Maßnahmen vorzunehmen, um zeitnah eine effektivere und effizientere Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen in Thüringen zu gewährleisten und die in der Vergangen­eit immer wieder akut auftretende Verjährungsproblematik künftig auszuschließen.


2. Erarbeitung eines Maßnahmekonzepts zur Lösung der langjährigen Probleme im Bereich der ärztlichen Versorgung in den Thüringer Justizvollzugsanstalten


Die Landesregierung wird aufgefordert, zeitnah ein Maßnahmekonzept zu entwickeln und umzusetzen, das die seit Jahren schwierige Situation im Bereich der ärztlichen Versorgung der Justizvollzugsanstalten in Thüringen löst und die notwendige, d.h. kontinuierliche und sehr zeitnah verfügbare, ärztliche Versorgung sicherstellt. Dies sollte möglichst in Kooperation/Koordination mit anderen Bundesländern bzw. mit der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister des Bundes und der Länder erfolgen, da auch in anderen Bundes­ändern dieses wichtige strukturelle Problem im Bereich des Straf­ bzw. Justizvollzugs besteht.


3. Einrichtung einer Beratungs-­ und Dokumentationsstelle für Menschenrechte, Grundrechte und Demokratie

Die Landesregierung wird aufgefordert, eine Gesetzesinitiative mit dem Ziel der Schaffung einer Beratungs-­ und Dokumentationsstelle für Menschenrechte, Grundrechte und Demokratie und der Umwand­ung des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz in eine entsprechende Behörde ohne geheimdienstliche Befugnisse dem Land­ tag bis zum Ende des III. Quartals zur Beschlussfassung vorzulegen. Sämtliche nachrichtendienstlichen Tätigkeiten auf der Grundlage des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes durch das TLfV sind umgehend einzustellen.


4. Beratungsstellen für Flüchtlinge

Die Landesregierung wird aufgefordert, durch die Schaffung einer institutionellen Förderung für mindestens vier Beratungsstellen für Flüchtlinge in Thüringen ein flächendeckendes Beratungsnetzwerk für Fragen des Aufenthaltsrechts sowie des Flüchtlingssozialrechts sicherzustellen.


Begründung:


Zu 1.: In den vergangenen Jahren kam es wegen fehlender Arbeitsstrukturen bzw. fehlenden Personals in diesem Bereich immer wieder zu "geplatzten Verfahren", Einstellungen von Ermittlungs-­ und Gerichtsverfahren wegen Verjährung usw.


Zu 2.: Es gibt seit Jahren nicht nur im Zusammenhang mit der Suizidproblematik Klagen über Defizite bei der medizinischen Versorgung, insbeson­ere zu "Randzeiten" wie Wochenenden oder Feiertagen. Auf Nachfrage gesteht die Landesregierung immer wieder ein, dass das zusätzlich benötigte ärztliche Personal für die Thüringer Justizvollzugsanstalten nicht vorhanden ist.


Zu 3.: Durch die Schaffung einer ohne nachrichtendienstliche Befugnisse aus­ kommenden Beratungs-­ und Dokumentationsstelle für Menschenrechte, Grundrechte und Demokratie erfahren zivilgesellschaftliche Projekte zur Stärkung von Grund­ und Menschenrechten eine tatsächliche Stärkung ihrer Arbeit. Die Dokumentationsstelle soll im Rahmen des noch zu erarbeitenden Landesprogramms gegen Rechtsextremismus sowohl Plattform für die Öffentlichkeitsarbeit sein als auch der Vernetzung lokaler Bündnisse dienen. Bei der notwendigen Auseinandersetzung mit neonazistischen Strukturen und der Verankerung von neonazistischen Denk­ und Ideologiemustern stellt das bisher bestehende Landesamt für Verfassungsschutz ein voll­ kommen untaugliches Instrumentarium dar. Im Gegenteil wurde durch den Verweis auf dessen hoheitlichen Zuständigkeit für die Bekämpfung des Neonazismus bürgerschaftliches Engagement bisher eher verhindert denn gefördert. Durch die sich auch in der Tätigkeit des Landesamtes wiederfindende Totalitarismustheorie und die damit einhergehen­ de Gleichsetzung der vom Neonazismus ausgehenden Gefährdung für eine demokratische und humanistische Gesellschaft mit anderen politischen Phänomenbereichen, die weder in ihrer Ausprägung noch entsprechend ihrer inhaltlichen Verortung vergleichbar sind, wird der Neonazismus verharmlost und die ihn in der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft verankerten antidemokratischen Positionen gestärkt. Zudem sind die durch die nachrichtendienstlichen Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz hervorgerufenen Eingriffe in Grund­ und Bürgerrechte erheblich und stehen weit außerhalb eines verfassungsrechtlich begründbaren Verhältnisses zu den Ergebnissen der Arbeit des Landesamtes. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die Umwandlung ist ausgeschlossen, da den Strafverfolgungsbehörden im Falle des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte ausreichend gesetzliche Instrumentarien zur Verfügung stehen, Straftaten sowohl aufzuklären als auch zu verhindern.


Zu 4.: Derzeit existiert in Thüringen kein flächendeckendes Beratungsnetzwerk für Flüchtlinge. Die nur in geringer Anzahl vorhandenen Migrationsberatungsstellen sind vorwiegend auf eine andere Zielgruppe ausgerichtet und können den vorhandenen Beratungsbedarf in aufenthaltsrechtlichen sowie in sozialrechtlichen Angelegenheiten nicht annähernd auffangen, so dass Asylsuchende und Flüchtlinge mit anderem Aufenthaltsstatus zum allergrößten Teil keinerlei Beratung in Anspruch nehmen können. Insbesondere auch vor dem Hintergrund der durch die Innenminister im Dezember 2009 beschlossenen Verlängerung der so genannten Bleiberechtsregelung und den damit einhergehenden aufenthaltsrechtlichen als auch beschäftigungsbezogenen Fragen ist die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer fach-­ und sachgerechten Beratung dringend geboten. Die Inanspruchnahme von Rechtsanwälten ist in der Regel aufgrund der Einkommenssituation für Flüchtlinge ausgeschlossen, andere sozialrechtliche Beratungsstellen sind aufgrund der besonderen Spezifikation nur eingeschränkt beratungsfähig. Die zu schaffenden Beratungsstellen sollen durch nichtstaatliche Organisationen realisiert und die Beratung entgeltfrei angeboten werden.

Dateien