Verhinderung der 380-kV-Hochspannungstrasse durch den Thüringer Wald

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/125 -

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/125 -


Die Landesregierung wird aufgefordert,

1. alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die juristischen Handlungsmöglichkeiten zur Verhinderung der 380-kV-Hochspannungstrasse über den Thüringer Wald auszuschöpfen,

2. beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Normenkontrolle gegen das Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (EnLAG) vom 21. August 2009 - BGBl. I S. 2870 - zu stellen und

3. dem Landtag über die eingeleiteten Schritte Bericht zu erstatten.


Begründung:


Im Zuge der Energiepolitik von Rot-Grün in Berlin wurde die schrittweise Umstellung auf mehr erneuerbare Energien - vor allem Windenergie - und der allmähliche Abschied von der Atomenergie vorgenommen. Durch viel Lobbyarbeit ist es dem schwedischen Vattenfall-Konzern gelungen, sein Vorhaben - eine neue 380-kV-Höchstspannungsleitung vom Raum Halle über Erfurt ins nördliche Bayern - mit Windenergie zu begründen und als alternativlos darzustellen. Die bisherigen Begründungen für den Bau der Leitung mit der dena-I-Studie überzeugen zudem nicht, da die Studie auf deutlich veraltetem Zahlenmaterial beruht.

Am 30. Oktober 2007 stellte die Forschungsgesellschaft für Alternative Technologien und Wirtschaftsanalysen ein im Auftrag von 33 Landräten, Oberbürgermeistern und Bürgermeistern sowie Bürgerinitiativen aus Südthüringen und Oberfranken erstelltes Gutachten zur Notwendigkeit der geplanten 380-kV-Verbindung Raum Halle–Raum Schweinfurt der Öffentlichkeit vor. Die Studie kommt zu Ergebnissen, die bis heute nicht vom Vattenfall-Konzern widerlegt wurden:

(1) Die Übertragungsleistung der schon bestehenden Leitungen zwischen dem VE-T-Gebiet und dem südlich davon gelegenen E.ON-Gebiet reicht noch aus; es sind höchstens sehr seltene, kurzzeitige Begrenzungen der Windenergieeinspeisung vorzunehmen (Einspeisemanagement).

(2) In der Zwischenzeit kann eine Netzoptimierung und Netzverstärkung durch laufende Temperaturüberwachung der Leiterseile ("Leitungsmonitoring") und durch Neubeseilung jedenfalls des kritischen Leitungsabschnitts Remptendorf–Redwitz mit Hochtemperaturseilen durchgeführt werden. Dadurch kann die mittlere Belastbarkeit um mindestens 50 Prozent, die kurzzeitige Übertragungsleistung um über 100 Prozent gesteigert werden.

(3) Vattenfall und E.ON gehen für die Notwendigkeit der "Südwestkuppelleitung", wie auch die von ihnen maßgeblich gesteuerte dena-l-Netzstudie der Deutschen Energie-Agentur aus dem Jahr 2005, in zweierlei Hinsicht von falschen Voraussetzungen aus:

(3 a) Sie ignorieren, dass das Netz gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz nur bis zur Grenze der "wirtschaftlichen Zumutbarkeit" ausgebaut werden muss, nämlich so, dass der Wert der zusätzlich möglichen Windenergieeinspeisung höher ist als die zusätzlichen Netzausbaukosten.

(3 b) Sie nehmen auch nicht zur Kenntnis, dass die weltweit großtechnisch eingesetzten Hochtemperaturseile (z. B. der Großteil aller Höchstspannungsleitungen in Japan) und das bewährte Freileitungsmonitoring die schon erwähnte Verstärkung bestehender Leitungen auf nahezu die doppelte Grenzbelastbarkeit ermöglichen ohne jeden zusätzlichen Eingriff in Natur und Landschaft.

(4) Die Nutzung von Freileitungsmonitoring und Hochtemperaturseilen bei den bestehenden Höchstspannungsleitungen zwischen Thüringen und dem E.ON-Netz genügen für den voraussehbaren Bedarf, der etwa 2015/2020 erreicht werden soll.

Das durch Prof. Säcker im Auftrag der Landesregierung erstellte (Gegen-) Gutachten aus dem Jahre 2008 ließ zahlreiche ganz zentrale Fragen (Daten-Basis, Kosten-Nutzen-Rechnungen, Umwelt- und Klimaschutzaspekte, Bürgerbeteiligungsrecht etc.) unberücksichtigt und konzentrierte sich auf eine (von Experten höchst umstrittene) juristische Argumentation. Zudem verdeutlicht das Gutachten, dass es offensichtlich nicht darum geht, regenerative Energie abzusichern, sondern die 14 neuen Kraftwerke von Vattenfall abzusichern. Es kann so nur bedingt zu einer Bewertung herangezogen werden, zudem haben sich diese juristischen Sachverhalte mit der Gesetzeslage bereits verändert.

Angesichts dieses Hintergrundes erheben sich mit Blick auf das Gesetz zum Ausbau der Höchstspannungsnetze (vom 21. August 2009) und das darin enthaltene Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen schwerwiegende Zweifel hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz bzw. Verfassungsgemäßheit.

Es zeigen sich folgende drei Problemkreise:

1. Es ist ein unzulässiger Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie der

Kommunen (Artikel 28 GG), da solche Großprojekte den betroffenen Gemeinden mit Blick auf örtliche Projekte weit reichende verbindliche "Rahmenbedingungen" für die Planungsmöglichkeiten machen (z.B. Problem der Abstandsflächen-/Abstandsbestimmungen zur Trasse).

2. Das Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen bezieht sich in seinem eigentlichen Gesetzestext (so in § 1 für die Querung des Thüringer Waldes) und in seiner Anlage ausdrücklich auf einzelne Versorgungsgroßprojekte privater Energieversorger. Es sollte daher dringend geprüft werden, ob es sich hier um ein nach Grundgesetz verbotenes Einzelfallgesetz handelt.

3. In Artikel 3 des Gesetzes zum Ausbau der Höchstspannungsnetze werden Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes vorgenommen. So wird u. a. im neuen § 118 bestimmt, dass die privaten Vorhabenträger sich verbindlich aussuchen können, ob ihr Vorhaben nach neuer oder alter Rechtslage zu beurteilen und abzuwickeln ist. Hier stellt sich die dringende Frage nach einer verfassungswidrigen Rückwirkung von gesetzlichen Normen.

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