Zeitnahe und wirksame Konsequenzen aus dem 8. Tätigkeitsbericht (2008/09) des Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz notwendig

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1310 -

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1310 -


I. Die Landesregierung wird aufgefordert, mit Blick auf aktuelle bzw. schon längere Zeit bestehende datenschutzrechtliche Problemfelder zum 8. Tätigkeitsbericht des Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz zu berichten bzw. ihre Einschätzung darzustellen und unter Einbeziehung der Problemanalysen und Lösungsvorschläge des Datenschutzbeauftragten aktiv zu werden. Dabei sollen insbesondere folgende Probleme und Lösungsvorschläge berücksichtigt werden:


A. Landesebene:

1. Umfassende Novellierung bzw. Modernisierung des Thüringer Datenschutzgesetzes und anderer datenschutzrelevanter Vorschriften des Landes, hierbei sind insbesondere folgende Eckpunkte zu berücksichtigen:

a) Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs, insbesondere zur völligen Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht und der Vorratsdatenspeicherung

b) Verankerung konkreter Schutzziele und Grundsätze, insbesondere Prinzip der Datensparsamkeit, Verbot der Profilbildung, Angleichung der Regelungen für öffentliche und nicht öffentliche Stellen, Minimierung der Zahl der "Spezialregelungen" außerhalb des Datenschutzgesetzes

c) Schaffung möglichst "technikneutraler" Normen, die in Auslegung und Anwendung ihr hohes Schutzniveau behalten trotz Fortentwicklung der Informationstechnik, integrierter Datenschutz "in Produkten und Verfahren"

d) Stärkung der Betroffenenrechte (Transparenz der IT-Prozesse, umfassende Auskunftsrechte, Einwilligungsprinzip, Rechte auf Löschung)

e) Datenschutzrecht "internetfähig" machen

f) Verstärkung der Verfahren zur Eigenkontrolle ("Auditing")

g) Praktisch wirksamer Sanktionskatalog bei Verstößen/Mängeln

h) Bürger- bzw. anwenderfreundliche klare Strukturierung und Formulierung des Gesetzestextes

i) Jugendschutz per Datenschutz, Datenschutz als Bildungsaufgabe

Insbesondere sollten dabei auch die Eckpunkte der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder für "Ein modernes Datenschutzrecht für das 21. Jahrhundert" Berücksichtigung finden, die am 2. Juni 2010 der Öffentlichkeit vorgestellt wurden.


2. Umfassende Evaluierung des Datenschutzes in den Thüringer Kommunen unter Auswertung der Ergebnisse der repräsentativen Untersuchung des Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz in 40 Thüringer Kommunen, insbesondere mit folgenden Schwerpunkten:

a) Ergebnisse bzw. Konsequenzen aus den Prüfungen bzw. Beanstandungen des Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz bei den überprüften Kommunen

b) Problem der Einbeziehung privater Dritter in die Datenverarbeitung

c) Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten der Kommunalaufsicht (Landesverwaltungsamt, Ministerium) in Sachen Datenschutz bei Kommunen

d) Handlungsmöglichkeiten von Kommunen mit Blick auf datenschutzrechtliche Zusammenarbeit (eingeschlossen Unterstützungs- und Förderungsmöglichkeiten durch das Ministerium)


3. Pläne der Landesregierung auf Nachprüfung und Verbesserung der datenschutzrechtlichen Standards in anderen Bereichen der Landesverwaltung


4. Handlungsmöglichkeiten und -schritte von öffentlichen Stellen in Thüringen gegen Google-Street-View und andere datenschutzrelevante (Groß-)Projekte privater Unternehmen


B. Bundesebene bzw. - soweit Mitwirkungsmöglichkeiten bestehen - auf europäischer Ebene:

1. Aktivitäten zur Modernisierung des Bundesdatenschutzgesetzes unter Berücksichtigung der "Eckpunkte" der Konferenz der Datenschutzbeauftragten mittels Bundesratsinitiative und Diskussionsvorschlägen in den Fachministerkonferenzen

2. Handlungsmöglichkeiten und -schritte von öffentlichen Stellen auf Bundesebene gegen Google-Street-View und andere datenschutzrelevante (Groß-)Projekte privater Unternehmen nutzen

Hierbei sollen auch die Ergebnisse der Diskussion der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister des Bundes und der Länder auf deren Frühjahrstagung 2010 berücksichtigt werden.

3. Aktivitäten zur Schaffung eines europäischen Datenschutzrechts mit möglichst hohen Schutzstandards, insbesondere mit Blick auf die "Globalisierung" von Datennutzung und Datenaustausch


II. Die Landesregierung hat dem Landtag bis zum 31. März 2011 einen Bericht über den Umsetzungsstand der unter Punkt I genannten Maßnahmen zu erstatten.


Begründung:


Im 8. Tätigkeitsbericht des Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 werden zahlreiche datenschutzrechtliche Problemfelder und Lösungsvorschläge angesprochen. Dieser Tätigkeitsbericht sollte daher von der Landesregierung bzw. Exekutive als auch vom Parlament als Gesetzgeber zum Ausgangspunkt für eine umfassende Modernisierung der rechtlichen Vorgaben und der tatsächlich praktischen Anwendung des Datenschutzes in Thüringen gemacht werden, insbesondere mit Blick auf den Reformbedarf beim Thüringer Datenschutzgesetz und anderer Vorschriften als auch bei der praktischen "Datenschutzarbeit" öffentlicher Stellen in Thüringen. Hier hat der o.g. Tätigkeitsbericht für den Bereich der Kom- munen erhebliche Defizite festgestellt. Die Landesregierung als "Aufsichtsebene" ist daher zur Stellungnahme zu diesen Ergebnissen aufgefordert. Massive datenschutzrechtliche Problemfelder entwickeln sich auch beim Handeln von Privatunternehmen (z.B. Google-Street-View). Deshalb muss geklärt werden, wie hier die öffentliche Hand in Sachen Datenschutz handlungsfähig bleibt bzw. wird. Der Antrag nimmt aber auch die Bundes- und europäische Ebene mit in den Blick. In einer globalisierten (Daten-)Welt lässt sich Datenschutz nicht mehr als auf ein Bundesland beschränkte "Insellösung" betreiben. Daher ist Thüringen bzw. seine Landesregierung aufgefordert, ihre Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten auf Bundes- und europäischer Ebene in Sachen Ausbau und Modernisierung des Datenschutzes umfassend zu nutzen. Die Verpflichtung, Thüringen zum "Datenschutzland" zu machen, ergibt sich nicht zuletzt aus Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen, der eine ausdrückliche Festlegung des Rechts auf Datenschutz und des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung enthält und damit über den Wortlaut des Grundgesetzes hinausgeht und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts widerspiegelt.

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