Babyklappen und anonyme Geburten in Thüringen

Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/DieGrünen - Drucksache 5/155 -

Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/DieGrünen - Drucksache 5/155 -

Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Frau Ministerin, Sie haben auch für unsere Fraktion einen sehr sachlichen und sehr ausführlichen Bericht gegeben. Dafür recht herzlichen Dank. Die Ethik-Kommission hat gerufen, hat geschrieben, weg mit den Babykörbchen und es ging in den letzten Wochen ein Aufschrei durch die Landschaft. Ich danke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass Sie mit dem Antrag uns hier die Möglichkeit geben, unsere unterschiedlichsten Auffassungen zu dieser Thematik hier vor dem Hohen Hause auszutauschen. Ich weiß, wenn wir in einen Antrag hineinschauen haben wir nie über eine Begründung zu befinden, aber lassen Sie mich unsere kurze Darstellung, unsere Rede damit beginnen, dass ich einmal zitiere aus dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sie sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Babykörbe, und hier darf ich noch einmal zitieren, "dem Schutz des neugeborenen Kindes dienen." Sie schreiben weiter unter in Ihrem Antrag, "Wenn durch das Angebot von Babyklappen und anonymen Geburten auch nur ein Kinderleben gerettet oder zukünftig vor Schaden von ihnen abgewandt werden kann, hat es sich gelohnt." Hier, meine lieben Abgeordneten, fängt nach unserer Auffassung die Diskussion an: Stimmt das denn, was geschrieben wird? Retten Babykörbchen tatsächlich Menschenleben? Wird zukünftig Schaden von Kindern abgewandt? Werden die Mütter, die das Leben ihrer Kinder nach der Geburt durch bewusste Tötung oder Vernachlässigung beenden, wirklich vorzeitig und richtig erreicht?

Der Ethikrat ist mit den Gegnern dieses anonymen Lebensbeginns der Meinung, dass es nicht stimmt. Sie sagen, seit der Einführung der Babykörbchen ist die Zahl der Kindstötung gleich hoch geblieben. Sie sagen aber auch, das kann gar nicht anders sein, weil genau diese Frauen nämlich nicht erreicht werden, weil genau diese Frauen, die in großer Sorge und in großer Not sind, nicht wissen, wo ein Babykörbchen zu finden ist, und in ihrer oft Hilflosigkeit keinen anderen Ausweg haben, als den letzten Schritt eventuell zu gehen, das Kind zu töten. Die Mitglieder des Ethikrats sagen aber auch, dass genau Frauen, die nach Entbindungen in starke Depressionen verfallen sind, oder diejenigen, die kein Verantwortungsbewusstsein für das Leben ihrer Kinder haben, oft auch nicht die Kraft hätten, wenn das Kind geboren ist, es schön einzuwickeln - wie so oft hier schon berichtet -, sich in die Straßenbahn oder in das Auto zu setzen und ihr Kind in einer Babyklappe oder vor einer Kirche abzugeben. Die Mitglieder des Ethikrats sagen aber auch, wenn ein Babykörbchen keine Hilfe ist, wenn kein Kind zusätzlich gerettet werden kann, warum werden dann Kinder, ohne über ihre Herkunft etwas zu wissen, in ein weiteres Leben geschickt. Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, denke ich, beginnt das Dilemma, was sich schon seit zehn Jahren in der Diskussion landauf, landab immer widerspiegelt. Retten Babykörbchen Leben oder verursachen sie lebenslange psychische Belastungen, die gar nicht notwendig sind für die Kinder? Fakt ist, trotz Babykörbchen haben wir in Thüringen in den letzten Jahren zahlreiche Kindstötungen leider erleben müssen. Gerade wir hier in Erfurt wissen davon ein sehr schlechtes Liedchen zu singen, trotz dessen, dass die Heliosklinik eine Einrichtung hat.

Aber wir haben natürlich auch die Frage, die uns immer keiner so recht beantworten kann: Wie viel Leben haben denn die Babykörbchen wirklich gerettet? Und jedes gerettete Leben - das sage ich hier auch ganz deutlich - ist eines, was gut und richtig ist.

Das Problem also, Kolleginnen und Kollegen, was wir haben, ist die wirkliche Beweisbarkeit, dass Babykörbchen Leben retten oder dass keine Babykörbchen zur weiteren Tötung von Kindern geführt hätten. Ich denke, wir müssen in der Diskussion die Wenn und Aber gemeinsam abwägen. So bleibt immer eine gewisse Unsicherheit. In meiner Fraktion gibt es Kolleginnen, die die Abschaffung der Babykörbchen befürworten, aber es gibt auch eine ganze Menge meiner Kolleginnen und Kollegen, die sagen, wir brauchen die Babykörbchen weiterhin, damit wir das Leben der Kinder auch zukünftig retten.

Es ist von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern bereits des Öfteren benannt worden. Ich denke, genau das Grundrecht der Kinder auf Kenntnis über ihre Herkunft ist und darf nicht unterschätzt werden und es stellt einen sehr hohen Stellenwert in der Diskussion dar. Es ist sozusagen ein Grundrecht, was nicht nur danach gemessen wird, sind meine Haare von der Mutter vererbt worden, ist die Nase vom Vater, sondern die Kinder wollen später einmal wissen, wer waren meine Eltern, aus welchem Umfeld komme ich. Genau hier müssen und sollten alle Möglichkeiten genutzt werden, die auch die Ministerin ansprach und die es bereits auch heute schon gibt, dass Kinder zu einem späteren Zeitpunkt wissen, wo sie herkommen und wo ihre Eltern sind.

Aber nicht nur für die Kinder ist es wichtig, sondern auch für die Mütter und, ich glaube, es gibt eine Vielzahl von Müttern, die sich nach einer anonymen Geburt oder nach der Übergabe ihres Kindes in ein Babykörbchen später die Vorwürfe gemacht haben und kein Zeichen hinterlassen, wo vielleicht später einmal ein Kind zurückkommen und sagen kann, wo finde ich die Mutter, wo finde ich das Kind. In diesem Zwiespalt lebt die Gesellschaft und ich denke, wir sollten die Initiative, die angestoßen wird von der Landesregierung auf Bundesebene unterstützen, damit auch weitere rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit zukünftig eine Nachvollziehbarkeit wirklich verankert ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute des Öfteren über Kommunalfinanzen geredet. Wenn ich aber die Ministerin richtig verstanden habe, haben wir genau hier die Verpflichtung, in den nächsten Monaten genau darauf zu achten, dass die vielen Angebote an Beratungsstellen auch zukünftig finanziert werden. Kommunale Haushalte - und hier rede ich auch aus Erfurter Sicht - sind sehr klamm und eine Kofinanzierung der Beratungsstellen ist in den Richtlinien verankert. Ich hoffe einfach, dass auch im Jahr 2010 die Landesregierung die finanzielle Kraft hat, die Beratungsstellen und die vielen Angebote der Prävention weiterhin zu finanzieren, damit jeder und jede, die es aufgreifen will, den Weg in eine Beratungsstelle findet. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

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