Bundestagswahl in Thüringen konsequent barrierefrei gestalten

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 5/6077

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 5/6077


Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, so wie meine zwei Vorredner, glaube ich, können wir das Thema „Barrierefreie Wahllokale“ nicht zukünftig thematisieren, denn


(Beifall DIE LINKE)


Inklusion hat nicht nur etwas mit Bildung zu tun, wie wir am Mittwoch in einer sehr ausgedehnten aktuellen Stunde erleben durften, sondern Inklusion hat auch etwas mit barrierefreien Wahllokalen zu tun.


(Beifall DIE LINKE)


Herr Gumprecht, Formalitäten, wie Sie sie hier gerade dargelegt haben, bringen uns in diesem Punkt nicht weiter, indem Sie den Bezug auf das Bundeswahlgesetz herstellen und dann im Prinzip erläuteren, warum alles hier im Lande nicht gehen sollte.


(Beifall DIE LINKE)


Beschwerden, die vielleicht nicht geführt worden sind aus welchen Gründen auch immer, warum Leute sich nicht beschwert haben im Jahr 2009, im Vorfeld oder im Nachgang der Bundestagswahl, sind doch kein Grund zu formulieren, weil es keine gab, machen wir nichts.


Herr Bergner, die Kosten - natürlich kosten barrierefreie Wahllokale ein paar Pfennige, natürlich. Aber Demokratie kostet halt Geld und darum braucht man auch barrierefreie Wahllokale, damit Menschen mit Behinderungen diese Demokratie


(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Dann denken Sie doch mal an die Zeit.)


auch wahrnehmen können und der Verweis auf eine DDR-Plattenbauschule, das ist so was von absurd und so weit hergeholt, da sage ich: Nach 23 Jahren


(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Da hat Ihre Bürgermeisterin Wahllokale eingerichtet.)


Herr Bergner, nach 23 Jahren hätte man eine Plattenbauschule aus DDR-Zeiten bereits barrierefrei umgestalten können. Da, wo ein Wille ist, wäre das auch möglich


(Zwischenruf Abg. Barth: Sagen Sie das einmal Ihrer Bürgermeisterin, Frau Sedlacik.)


gewesen und an vielen Stellen ist dies bereits umgesetzt worden. Und - unser Antrag ist bereits 3 Monate alt. Dass der heute erst aufgerufen wurde, hat vielleicht auch was damit zu tun, dass eine FDP-Fraktion in den zurückliegenden Monaten eine Vielzahl von parlamentarischen Anträgen hier eingebracht hat, wo ich denke, das war vielleicht Populismus.


(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Das aus Ihrem Munde.)


Aber so weit, so gut.


(Unruhe FDP)


(Beifall DIE LINKE)


Sehr geehrte Damen und Herren, in einer repräsentativen Demokratie sind Wahlen ein zentrales Element der Legitimierung von Macht. Das haben wir alle gelernt, damit ist das Interesse von Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Prozessen der politischen Willensbildung zu vergleichen und darum ist es wichtig, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt an Wahlen teilnehmen können. Oder anders gesagt, Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung fängt damit an, dass politische Beteiligung gleichberechtigt zu organisieren ist und die Menschen mit Behinderungen ihre Anliegen, in die politischen Prozesse mit einbringen können. Der Frage der Barrierefreiheit von Wahlen kommt damit eine Schlüsselrolle für Politik für Menschen mit Behinderungen zu. Das bereits erwähnte Bundeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit hat Projekte erstellt und die sollte man sich genau anschauen und die können de facto auch umgesetzt werden. Da geht es um die Erarbeitung eines Anforderungskatalogs für barrierefreie Wahllokale, die Erarbeitung von Vorschlägen, wie sich Bürgerinnen und Bürger über diese barrierefreien Wahllokale informieren können, da geht es weiter noch mal um die Handreichungen für Wahlhelferinnen und Wahlhelfer im Umgang mit Menschen mit Behinderungen oder um den Vorschlag der Erarbeitung von barrierefreien Gestaltungen von Wahlbenachrichtigungen, Stimmzetteln etc. Wie wichtig das alles ist, konnten Sie, wenn Sie es mit Interesse verfolgt haben, anlässlich des Europäischen Protesttages der Menschen mit Behinderungen am 5. Mai erleben. Unter der Federführung der Aktion Mensch und vieler anderer Behindertenverbände wurde artikuliert, was sie wollen für 2013, nämlich das „Recht auf politische Partizipation einfordern“. Das war die Hauptforderung. An dieser Hauptforderung, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir doch nicht einfach vorbei gehen mit dem Hinweis, Anträge kämen zu spät oder sie würden zu viel Geld kosten.


(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Wer redet denn hier an der Realität vorbei?)


Im Juni, als dieser Antrag der Fraktion DIE LINKE abermals auf der Tagesordnung stand, haben Sie alle eine Zeitschrift in Ihren Fächern gehabt wie jeden Monat, den „Cicero“. In dem „Cicero“ fanden Sie - ich will es einfach mal hier kurz hochheben - ein Papier, was uns wie zugerufen vorkam, denn darin war formuliert, wie es um die Barrierefreiheit der Wahllokale in Deutschland steht. Nur 10 Prozent der Wahllokale sind barrierefrei, wurde in einer Befragung herausgefunden. Das ist eine große Hürde auch im Vorfeld der Bundestagswahl, die zu meistern ist, diese 10 Prozent der Vergangenheit angehören zu lassen und dies auf 100 Prozent zu steigern. Am häufigsten sagten die Befragten, dass sie folgende Dinge vermissen in den Wahllokalen: einmal eine fehlende behindertengerechte Toilette, fehlende Sitzgelegenheiten, um sich auszuruhen, der erschwerte Zugang zu den Wahllokalen aufgrund von Treppen wurden immer und immer wieder genannt. Ich sage, werte Abgeordnete, wer eine hohe Wahlbeteiligung zu den Bundestagswahlen will, und das wollen wir, denke ich, alle, muss sich auch hierum kümmern, dass der Zugang zu Wahllokalen wirklich barrierefrei geregelt ist. Die zahlreichen Barrieren in den Wahllokalen, und davon haben wir in Thüringen ja jede Menge, haben Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung. Während 73 Prozent der Menschen ohne Behinderung regelmäßig von ihrem Recht auf Stimmabgabe in den Wahlbezirken, in den Wahllokalen Gebrauch machen, machen lediglich Menschen mit Behinderung zu 58 Prozent davon Gebrauch. Und das, werte Kolleginnen und Kollegen, sollte doch Anspruch sein, Barrierefreiheit nicht nur vor den Wahlen, sondern auch innerhalb der Wahlperioden immer und immer wieder einzufordern. Wir wissen doch alle, dass Teilnahme am politischen Leben auch daran gemessen wird, wie barrierefrei die Zugänge in der Gesellschaft sind.


Werte Kolleginnen und Kollegen, in unserem Antrag haben im Punkt II formuliert, dass die Landesregierung aufgefordert werden soll, entsprechende Vorkehrungen zu schaffen. Diese Vorkehrungen wären auch noch möglich in den verbleibenden nun zirka acht Wochen. Bürgerinnen und Bürger in Thüringen werden es uns als Politikerinnen danken, wenn wir dafür kämpfen, dass barrierefreie Wahllokale nicht nur geredet werden, sondern auch in der Wirklichkeit anzutreffen sind. Danke schön.


(Beifall DIE LINKE)


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