Die Zukunft der Hebammen sichern - Haftpflichtproblematik endlich umfassend lösen!

Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 5/7359

Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 5/7359


Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Siegesmund, zum Schluss haben wir noch Glück, dass heute Ihr Antrag hier behandelt wird. So eine Schwangerschaft dauert neun Monate. Stellen Sie sich einmal vor, es hätte noch mehr Gründe gegeben, den Antrag zu schieben, dann hätten wir im Herbst gesessen. Aber ich denke - und das ist das Tragische daran - erst im Herbst oder zu Beginn des kommenden Jahres werden wirklich inhaltliche Lösungen hier in dem Landtag mit Ernsthaftigkeit beredet, sonst hätten die Koalitionsfraktionen dem Wunsch, diesen Antrag gleich, nachdem er eingereicht worden ist, zu behandeln, entsprochen und ihn nicht immer vor sich hergeschoben.


Werte Kolleginnen und Kollegen! Kinder sollen sicher und mit Freude geboren werden. Dies schrieb die Vorsitzende des Hebammenlandesverbandes, Elke Pirrhs, am 26.11.2009 in einem Brief an die Frau Ministerin Taubert, in dem Sie zur Ernennung als Ministerin gratulierte und sich auf eine gute Zusammenarbeit freute. Dieser Satz ist ein zentrales Anliegen des Hebammenverbandes, das emotionale und gesundheitliche Wohlergehen von Mutter und Kind hat einen entscheidenden Einfluss auf das Gelingen von Anfang an als neue oder als erweiterte Familie.


Wie die Gesellschaft mit Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett umgeht, geht jeden etwas an, egal ob Frau oder Mann. Jede Frau sollte möglichst eine normale Geburt erleben können - ohne technische Intervention, aber dafür mit sehr, sehr viel menschlicher Zuwendung, denn - wie bereits erwähnt: Auf den Anfang kommt es an.

Dieser Anfang, werte Damen und Herren, ist in den zurückliegenden fünf Jahren für Thüringerinnen und Thüringer - die Väter erleben es mit - und somit auch für die Hebammen und Geburtshelfer immer schwerer geworden. Dies zeigt die aktuelle Entwicklung im Gesundheitswesen.


Frau Kollegin Siegesmund ging darauf ein, das Thema der Haftpflichtprämien bei den freiberuflichen Hebammen. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, um eine Recherche vorzulegen, womit und wie oft wir uns in dieser 5. Legislatur zu diesem Thema befasst haben. Es sind zwei DIN-A4-Seiten voll, wo es Anträge gab in den Ausschüssen, wo es Anträge hier in dem Landtag, aber auch begonnen mit einer Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE gleich zu Beginn der Legislatur, wo wir sozusagen versucht haben, statistisches Material von der Landesregierung zu erhalten, um zu wissen, wie ist denn die genaue, die konkrete Situation der Hebammen. Wenn ich noch einmal in den Unterlagen blättere, so mussten wir dazumal feststellen und natürlich auch heute noch, die Aussagen, die uns die Landesregierung geben konnte zu diesen weit 100 Fragen, waren sehr dünn und dürftig. Da will ich nicht der Landesregierung die Schuld dafür geben, sondern es ist einfach der Datenlage geschuldet und darum ist es gut und wichtig, dass endlich an diesem Punkt angesetzt wird und dass an diesem Punkt eine verlässliche, strapazierbare statistische Erhebung erfolgt. Das macht das Agieren für uns alle, für uns als Politikerinnen und Politiker, aber auch für den Landesverband der Hebammen wesentlich einfacher.

Wie gesagt, es war ein weites, breites Feld, was wir in den zurückliegenden fast fünf Jahren beredet haben. Aber, wie gesagt, es kamen von einem Monat auf den anderen neue Botschaften aus Berlin, vom Bundesverband, und die Hauptbotschaft war leider, dass ab 2015 keine Haftpflichtversicherer mehr zur Verfügung stehen. Das hat nicht nur hier in Thüringen die Hebammen auf den Protestweg geführt, sondern deutschlandweit sind sie unterwegs. Zu Beginn dieser Woche und - wenn ich es richtig weiß - heute tagten Gremien auf der Bundesebene. Einmal tagte am Dienstag der Bundespetitionsausschuss und hat sich mit einer großen Massenpetition zum Thema Zukunftssicherung der Hebammen befasst und heute tagt die Gesundheitsministerkonferenz. Die Ergebnisse, die wir da leider vernehmen mussten, sind mehr wie deprimierend. Trotz mitfühlender Worte und Ankündigung, das Problem der Hebammen einer Lösung zuzuführen, hat sich der Gesundheitsminister Gröhe sozusagen nicht erweichen lassen, wirklich konkrete Aussagen zu treffen. Er hat mitgeteilt, es ist ein Problem der Selbstverwaltung, wenn die Versicherungen im Moment nicht weiter ab 2015 gezahlt werden. Es ist also gescheitert, der Versuch, hier eine gemeinsame Lösung auf den Weg zu bekommen.


Ich habe mir die Mühe gemacht, einmal in die Protokolle zu schauen des Bundespetitionsausschusses, und da bin ich schon entsetzt, wenn ein Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung, also des Spitzenverbandes, Freiherr von Stackelberg, dort zum Ausdruck brachte, am Dienstag, die Hebammen seien selbst schuld, wenn die Versicherungsprämien so hoch sind. Man müsse sich halt damit abfinden, dass, wenn zu geringe Geburten im Jahr nur begleitet werden, dass die Hebammen dann halt „Gelegenheitshebammen“ sind. Ich glaube, das ist ein Punkt, der ist zurückzuweisen. Wenn Hebammen einfach nicht mehr wie 30 Geburten schaffen können, weil sie an der Grenze ihrer Kräfte sind, dann darf man das nicht hinnehmen, dass sie einfach degradiert werden in ihrem Berufsstand, werte Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall DIE LINKE)


Aber das Thema „Hebammen und Haftpflichtprämie“ ist ja nur ein Thema und dieses muss, und da sind wir uns, glaube ich, alle sicher, auf Bundesebene geklärt werden. Es gibt unterschiedliche Ansätze, wie wir dieses Thema so sichern könnten, dass eine Zukunft dieser Berufsgruppe wirklich langfristig gesichert ist. Der Landesverband der Hebammen hat uns ja als Politikerinnen und Politiker vor einigen Wochen ihr Positionspapier genau zu dieser Thematik vorgelegt und unter anderem zum Thema Haftpflicht sagen sie eindeutig und ich zitiere aus dem Papier des Landesverbandes: „Lösungsansätze könnten sein die Einführung einer Haftungsobergrenze, die Errichtung eines Fonds für besondere Haftungssituationen, die Einschränkung der Regressmöglichkeiten der Sozialversicherungsträger, der Kontrahierungszwang für Versicherungsgesellschaften oder die Verkürzung der Haftungsdauer von derzeit 30 Jahren auf 10 Jahre.“ All das sind Dinge, die der Bundesgesetzgeber zu klären hat.

Aber wir hier in Thüringen haben natürlich auch das Thema, was Thüringer Hebammen und die Zukunft dieser Berufsgruppe in Thüringen anbelangt, noch einmal genauer hinzusehen. Am vergangenen Freitag fand eine Podiumsdiskussion hier in Erfurt statt, wo uns noch mal, den anwesenden Politikerinnen, auf den Weg gegeben worden ist, dass wir auch in Thüringen ein Problem haben. Das Durchschnittsalter der Thüringer Hebammen ist zwischen 45 und 55 Jahre. Also ist es absehbar, wenn der Großteil der Frauen - und es gibt ja wohl zwei, drei Entbindungshelfer -, wenn diese in den wohlverdienten Ruhestand gehen.


Also wir haben maximal noch zehn Jahre, 15 Jahre vor uns und wir müssen alles dafür tun, dass an Nachwuchs, sprich an Berufsnachwuchs gearbeitet wird. Wir haben also ein Problem hier in Thüringen, Frau Ministerin, was hier im Lande geklärt werden muss, und das ist das Thema ein Mehr an Ausbildung, ein Mehr an Zugang von jungen Frauen oder Männern, die diesen Berufsstand erlernen wollen und möchten. Es reicht nicht, wenn alle drei Jahre eine Berufsgruppe, eine Schulklasse entweder in Erfurt oder in Jena auf den Weg gebracht wird, diesen Berufsstand zu lernen. Ich glaube, hier braucht es einer zwei- oder dreijährigen hintereinander folgenden Ausbildung, um die Defizite, die sich abzeichnen, zu beseitigen. Auch dazu hat uns der Landesverband der Hebammen ein ausreichendes Material zur Verfügung gestellt. Er hat gesagt, wir brauchen also dazu - und da war ich vorhin schon in meinen Ausführungen - eine ganz konkrete Datenerhebung, wie die Versorgungssituation im Moment aussieht. Wir brauchen konkrete Bedarfsermittlungen und wir brauchen eine neue bedarfsgerechte Ausbildung für Thüringen.


Werte Kolleginnen und Kollegen, ich habe ja bereits erwähnt, das Thema Hebammen und deren Sicherung und deren weitere Existenz hat uns hier in dem Landtag mehrfach beschäftigt. Ich bin von Beruf aus zwar Optimistin, aber trotzdem gehe ich davon aus, dass wir in der Legislatur keine Lösungen leider mehr auf den Weg bringen, so dass wir es wirklich in eine neue 6. Legislatur leider verschieben müssen.


Wir als Linke sagen noch mal eindeutig, wir brauchen eine neue Lösung der Haftpflichtprobleme, dazu hat meine Bundestagsfraktion auch einen inhaltlich sehr weitreichenden Antrag eingebracht. Wir brauchen eine Neuordnung also der Berufshaftpflicht, wir brauchen auch eine neue Definition, was die Leistungen der Hebammen anbelangt, und damit geknüpft an diese neue Definition ist auch eine neue Vergütungsregelung. Wir brauchen eine gesetzliche Regelung für die immer wieder und richtig eingeforderte Eins-zu-eins-Betreuung der Schwangeren und der gewordenen Mütter von Beginn der Schwangerschaft bis Ende der Stillzeit, das sollte gesetzlich verankert sein. Wir brauchen also die wohnortnahe Versorgung der Hebammen und ich sage auch - und da wiederhole ich mich in meinen Ausführungen zum letzten Freitag -, wir brauchen dringend hier in Thüringen - und der könnte sehr, sehr schnell eingeführt werden - einen runden Tisch, wo alle Betroffenen sich endlich hinsetzen, diese Thüringer Problematiken bereden. Dieser runde Tisch könnte, wenn es gewollt wird - ich habe vorhin noch mal mit der Vorsitzenden des Landesfrauenrats gesprochen -, unter der Federführung des Landesfrauenrats initiiert. Da müssen die Beteiligten an einen Tisch, das Ministerium, die Vertreter der Politik, der Landesverband der Hebammen, aber natürlich auch die Kassen, um dort die Probleme anzusprechen und natürlich sehr, sehr zeitnah Lösungen zu diskutieren und dann auch hier in dem Landtag auf den Weg zu bringen. Danke schön.


(Beifall DIE LINKE)


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