Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Blindengeldgesetzes

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/1092 - Erste Beratung

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/1092 - Erste Beratung


Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem heute vorgelegten Dritten Änderungsgesetz zum Landesblindengeldgesetz wird ein neues Kapitel in der Geschichte des Thüringer Blindengeldes aufgeschlagen. Den Anstoß, um in der Fußballsprache zu bleiben, haben in den zurückliegenden Monaten immer und immer wieder die Mitglieder des Landesverbandes der Blinden und Sehbehinderten sowie dessen aktive Mitglieder gemacht. Nicht zu vergessen - und das sage ich auch mit gewissem Respekt und Stolz -, haben wir als Fraktion DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesen Anstoß unterstützt.


(Beifall DIE LINKE)


Erinnern wir uns: Der damalige Ministerpräsident Althaus sagte in einem seiner letzten Interviews, die Abschaffung des Landesblindengeldes war einer seiner größten Fehler. Ja, sage ich, das war so. Warum? Die Thüringer Menschen mit Behinderungen haben es der Politik, sprich der Landesregierung, sehr, sehr übel genommen und dies mit Recht, denke ich, dass ihre berechtigten Forderungen eines Nachteilsausgleichs immer in die "Abzockerecke" gestellt wurden. Nachteilsausgleiche wie das Blindengeld, aber auch das Gehörlosengeld dürfen nicht nach Kassenlage eines Landes gezahlt werden.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das sage ich auch ganz deutlich jetzt an die im Moment nicht anwesende Ministerin, die begründet hat, warum nur 50 € Erhöhung im Moment drin sind.

Trauriger Höhepunkt beim Thema Landesblindengeld war in der Vergangenheit die Abschaffung dessen in den Jahren 2006 und 2007. Erst aufgrund parlamentarischen, aber auch außerparlamentarischen Drucks sowie der Ankündigung eines Volksbegehrens - und hier schaue ich die Kolleginnen und Kollegen der SPD ganz intensiv an -, aber auch das Vorlegen eines gemeinsamen Gesetzentwurfs unsererseits im Jahr 2008, als wir damals schon immerhin 320 € Landesblindengeld eingefordert haben, hat sich die damalige Landesregierung bemüßigt gesehen, wieder eine Einführung eines Landesblindengeldes auf 220 € vorzunehmen.

Und nun, heute? Heute liegt uns ein Gesetzentwurf vor, in dem es um eine Erhöhung um 50 € geht. Nun könnte man sagen, auf den ersten Blick ist das okay, es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber - und an dieser Stelle will ich auch gleich mein "aber" begründen. Werte Abgeordnete, es hat fast ein Jahr gedauert, ehe Sie diesen Gesetzentwurf, wo es um die Einlösung von 50 € mehr Landesblindengeld ging, vorgelegt hatten. Ich werde den Eindruck nicht los, wenn nicht im Januar, Februar und März oder heute die blinden und sehbehinderten Menschen Thüringens hier oder vor der Staatskanzlei gestanden hätten und hätten ihren Protest zum Ausdruck gebracht, dann wäre, denke ich, bis heute kein Gesetzentwurf auf den Weg gekommen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich hörte auch immer wieder in den letzten Wochen, dass die Finanzministerin, die im Moment den Raum verlassen hat, ein ganz, ganz großes Stoppschild aufgestellt hat, wenn es darum ging, das Landesblindengeld zu erhöhen. Sie hat sogar - so wurde gemunkelt - eindrücklich versucht, es zu verhindern. Nun, wenn sich die soziale Seite im Moment durchgesetzt hat, so ist das gut und richtig, aber wir wollen weiter im Text verfahren.

Mit dem vorgelegten Entwurf gibt Thüringen die bisherige Schlusslichtposition ab im Vergleich aller Bundesländer. Wir waren bisher das Bundesland, was das geringste Blindengeld gezahlt hat und mit den 50 € mehr rutschen wir auf - höre und staune - die vorletzte Stelle. Ich meine, das ist nun wirklich kein Grund, um sich mit Ruhm zu schmücken. Im Durchschnitt der Bundesländer werden 400 € im Monat einkommensunabhängiges Blindengeld gezahlt, und davon sind wir in Thüringen sehr, sehr weit weg. Nun könnten hartgesottene Sparfans - und von denen höre ich auch immer wieder - einwenden, wir haben schlechte Zeiten auch in der öffentlichen Kasse und da kann man nicht so viel soziale milde Gaben verteilen. Nun ja, sage ich an der Stelle einfach, der Spruch klingt zwar "nobel", aber, ich denke, er ist einfach falsch. Das Blindengeld gehört nicht einfach zu den milden Gaben an arme, behinderte Menschen, sondern es sind finanzielle Aufwendungen, die notwendig sind, um das Recht auf gleiche Teilhabe hier im gesellschaftlichen Leben mit umzusetzen. Dieses Recht auf gesellschaftliche Teilhabe ist nirgendwo anders verankert als in unserer Verfassung. Schaut man hinein, wird man in Artikel 2 Abs. 4 genau dieses lesen. Auch steht in der Verfassung, dass man diese Grundrechte nicht an Haushaltsmitteln, an Haushaltsgeldern einfach mal so je nach Kassenlage umsetzen kann, sondern es steht drin, die Landesregierung hat die Pflicht zum Umsetzen genau dieses Rechtsanspruchs. Da, denke ich, sind 50 € viel, viel zu wenig und sie können wirklich nur ein erster Schritt für die ersten Monate sein und es muss an der Stelle unbedingt ausgebaut werden.


Warum sage ich das? Wer sich in den zurückliegenden Wochen und Monaten mit blinden oder sehbehinderten Menschen intensiv in Gesprächen auseinandergesetzt hat, weiß, dass sie um ihren Nachteil auszugleichen, eine sehr große Anzahl von Hilfsmitteln benötigen und die sind nicht für wenige Euro oder wenige Cent zu haben. Sie brauchen bestimmte Leselupen, sie brauchen bestimmte PC-Ausrüstungen oder sprechende Haushaltsgeräte, um das alles zu handhaben, was wir Sehende einfach so ganz schnell klären können, wenn wir draußen unterwegs sind. Praktischer Nachteilsausgleich im ganz normalen Alltag für sehbehinderte und blinde Menschen heißt auch, dass man sich Assistenz leisten kann. Assistenz in Form von Begleitungen, die bei dem Besuch in Museen oder auch im Theater genau das noch nahebringen, was wir Sehenden erleben können. Da sage ich einfach, die Finanzierung dieses Nachteilsausgleichs muss durch ein einkömmliches auskömmliches Landesblindengeld gewährleistet werden. Hier, werte Mitglieder der Landesregierung, die im Moment nicht so sehr viel hier im Saal sind, haben Sie sehr, sehr großen Nachholbedarf.

Wir haben gerade von der Ministerin gehört, dass in einer Anhörung bereits die Mehrheit der Anzuhörenden sich sehr kritisch und auch negativ dahin gehend geäußert hat, dass bisher nur 50 € eingestellt worden sind. Wir werden an unserem Versprechen, was wir bereits in der Beratung zum Landeshaushalt für 2010 gegeben haben, mindestens 100 € mehr Landesblindengeld ab 01.07. zu zahlen, anknüpfen und werden einen Änderungsantrag als Fraktion DIE LINKE in der zweiten Beratung zum Landesblindengeldgesetz einreichen, wohl wissend, dass das natürlich bei Weitem nicht reicht. Wir sagen, wenigstens 320 € im Monat, obwohl auch der Landesblindenverband sagt, wir brauchen mindestens 500 € im Monat, um die wirklichen Nachteile auszugleichen.


Werte Abgeordnete, als Sie vor wenigen Stunden hier das Haus betreten haben, haben Sie draußen vor dem Eingang des Landtags sicher noch einmal die Menschen mit Behinderungen, sprich die Blinden und Gehörlosen, gemeinsam erlebt, wie sie darauf aufmerksam gemacht haben, dass es unbedingt einen Nachteilsausgleich für das Ausgleichen ihrer Behinderung braucht. Ich denke, das war ein sehr, sehr gutes Zeichen, dass man gemeinsam hier vor dem Landtag steht. Das war in den letzten Jahren nicht immer so, dass Mann, Frau, ob blind oder gehörlos, gemeinsam für den Nachteilsausgleich kämpft und auch an dieser Stelle sagen wir: Wir haben als LINKE sehr wohl den Koalitionsvertrag gelesen und wir haben auch sehr wohl die Beratungen des Landesbehindertenbeirates zur Kenntnis genommen, wo die Thematik eines Gehörlosengeldes im Mittelpunkt stand. Nach Kassenlage soll auch ein Gehörlosengeld im Moment nicht eingeführt werden. Aber wir, DIE LINKE, werden auch hier einen Gesetzesvorschlag in den nächsten Monaten erarbeiten, um den Nachteilsausgleich, der auch in einer UN-Konvention finanziell und materiell festgeschrieben worden ist, in die Wirklichkeit in Thüringen umzusetzen. Danke.


(Beifall DIE LINKE)

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