Erhebliche Zunahme von ‚Zwangsverrentungen’ nach § 12 a SGB II in Thüringen

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 5/6581

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 5/6581


Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, von solchen üppigen Bezügen, von denen wir gerade hörten, können Hartz IV-Empfänger leider nur träumen, will ich an der Stelle wirklich gesagt haben.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im Jahr 2008 hat die Große Koalition von SPD, CDU und CSU im Bundestag den § 12 a im SGB II verankert, der uns heute beschäftigt. Eine der Kernaussagen dieser Paragraphen beschreibt die Möglichkeit der Jobcenter, mit Vollendung des 63. Lebensjahrs für einen Erwerbslosen Rentenleistungen zu beantragen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Betroffenen in Rente gehen wollen, selbst ihr ausdrücklicher Widerspruch spielt keine Rolle. Allein das Jobcenter entscheidet, ob der Rentenantrag zu stellen ist oder nicht. Deshalb hat sich in der Praxis schnell der Begriff „Zwangsverrentung“ eingeschlichen. Es ist ein Begriff, der auf der einen Seite etwas ängstlich erscheint, aber auf der anderen Seite seine Berechtigung hat. Denn es kann nicht angehen, dass Menschen, die es nicht wollen, mit dem 63. Lebensjahr in Rente geschickt werden und auf der anderen Seite hören wir von der Landesregierung immer wieder das Thema Fachkräftemangel und wir hören auch, wie viel angeblich getan wurde, um Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Betroffene müssen also ein Leben lang mit Rentenabschlägen von teils über 10 Prozent leben. Sie werden meist direkt zum Sozialamt geschickt oder sie müssen Grundsicherung beantragen. Das ist entwürdigend und das ist nicht das, was wir unter Anerkennung der Lebensleistung in der Rente verstehen.


(Beifall DIE LINKE)


Es ist ein unhaltbarer Zustand, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass immer mehr Menschen auch in Thüringen diese Grundsicherung dauerhaft in Anspruch nehmen müssen. Das ist Altersarmut pur und dies ist per Gesetz verordnet.


Sehr geehrte Damen und Herren, heute haben sich ein paar Betroffene hier auf der Tribüne mit uns versammelt, um dieses Thema zu verfolgen. Ich sage Ihnen Danke und Sie bekommen auch meinerseits und unsererseits von der Fraktion die Solidarität, damit Sie Widerspruch und Klagen einreichen können. In Thüringen wurden 2011 46 Menschen zwangsverrentet, 2012 waren es schon 91 und im ersten Halbjahr 2013 bereits 102. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, dann können wir sagen, seit 2011 hat sich diese Zwangsverrentung verdoppelt. Das ist ein Unding und wir als LINKE sagen an der Stelle sehr deutlich, es muss eine Gesetzesänderung weg von Hartz IV und natürlich auch weg von § 12 a durchgeführt werden. Das ist mehr als notwendig.


Sehr geehrte Damen und Herren, ich kann nicht verstehen, warum Sie mir auf eine Anfrage, werte Landesregierung, im Sommer keine Zahlen vorlegen konnten, aber der MDR wusste welche zu berichten, sie wussten also von der Arbeitsagentur, wie sich die Zahlen in Thüringen entwickelt haben. Hier ist auch meine Kritik an die Landesregierung: Es sollte Ihnen wichtig sein, wenn wir als Abgeordnete Fragen an Sie stellen, dass auch die von Ihnen beantwortet werden und Sie nicht mit lapidaren Sätze kommen, wir können nicht, weil keine Statistik da ist. Ich glaube, hier hat eine Landesregierung eine andere Aufgabe und mein Frage- und Informationsrecht habe ich hier schon sehr beschnitten und nicht wirklich gewürdigt gesehen.


Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie es mich noch einmal zusammenfassen. Auch wenn es den Minister Machnig im Moment nicht so sehr interessiert,


(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie: Doch, es interessiert mich.)


Zwangsverrentung ist und war ein Geschenk der Großen Koalition. Es bedeutet für die meisten Betroffenen den direkten Weg in die Altersarmut. Da wird der eigentliche Sinn der Sozialgesetzgebung, ein Leben in Würde sicherzustellen, konterkariert. Es wird Zeit, diese Praxis zu beenden und im Rahmen einer wirklichen Reform das gesamte Hartz-IV-System abzuschaffen. Wir als LINKE stehen hier im Parlament sowie im Deutschen Bundestag ausschließlich dafür, dass dieses abgeschafft wird. Wir fordern eindringlich noch mal auf, dass wir für sanktionsfreie Mindestsicherung kämpfen, für eine Alterssicherung, die den Namen verdient. Wir sagen als LINKE, wir brauchen eine Mindestrente von 1.050 € und wir brauchen eine Betreuung der Betroffenen in den Jobcentern, die die Würde der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt, wo aber auch die Wünsche der Betroffenen im Mittelpunkt stehen, nicht die Drangsalierung. Danke schön.


(Beifall DIE LINKE)


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