Finanzielle Entlastung von Kinderwunschpaaren

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/2572 -

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/2572 -


Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir heute über die finanzielle Entlastung von Kinderwunschpaaren reden, so reden wir auch - und das ist bereits angeklungen - über ein Gesetz, das von Rot-Grün im Jahr 2003 mit Zustimmung der CDU verschlechtert wurde, und zwar zum Schaden der Menschen, die vor allen Dingen Kinder haben wollen. Fakt ist, bevor Rot-Grün bei den Versicherungsnehmern der Krankenkassen sparen wollte, wurden vier Versuche der künstlichen Befruchtung bezahlt. Bevor Rot-Grün die soziale Spaltung in dem Lande verschärft hat, wurden 100 Prozent der Versuche bezahlt und Fakt ist auch, bevor Rot-Grün ignorierte, dass viele Menschen aufgrund ihrer schwierigen Arbeitsmarktsituation ihren Kinderwunsch immer weiter nach hinten verschoben, war es eine Ermessenssache, ob eine Frau sich auch nach ihrem 40. Geburtstag eine solche Behandlung bezahlen lassen konnte. Alles das wurde also unter Rot-Grün eingeschränkt. An der Stelle bin ich schon etwas verwundert, dass die GRÜNEN heute mit ihrem Alternativantrag die Gesetzesverschlechterung von 2004 sogar noch verstärken. Das verstehe ich, gelinde gesagt, nicht, Frau Siegesmund, was Sie uns heute hier vorgelegt haben. In meinen Augen waren diese Vorgehen - und auch was Sie vorhin formulierten - einfach nur familienfeindlich.


(Beifall DIE LINKE)


Die Entscheidung zu einer künstlichen Befruchtung darf - und das wurde bereits auch schon erwähnt - nicht vom Geldbeutel abhängig gemacht werden. Niemand - und das sage ich ausdrücklich, auch aus persönlichem Erleben heraus - entscheidet leichtfertig, ob er eine solche Behandlung über sich ergehen lässt oder nicht. Ich denke, wenn die Hormone sich nicht miteinander vertragen, so ist eben genau dieser Weg zur künstlichen Befruchtung ein Weg, den ganz oft Paare, aber auch nicht verheiratete Paare und lesbische Frauen und Alleinerziehende unbedingt gehen dürfen müssen,


(Beifall DIE LINKE)


und dies unabhängig von dem, ob der Geldbeutel es hergibt oder nicht. So eine künstliche Befruchtung ist nicht nur eine psychische Belastung für die Frau, sondern für die ganze Familie. Auch darauf ist bereits hingewiesen worden. Wenn diese Entscheidung einmal getroffen worden ist, diesen Weg zu gehen, dann haben Paare oder auch Einzelpersonen später noch damit zu kämpfen, wie viele Eizellen, die eingepflanzt werden, werden denn auch die Chance haben, groß zu werden. Das ist sozusagen noch einmal eine vollkommen neue moralische Dimension, die auch mit bedacht werden muss. Familien, die sich jeden Pfennig zur Seite gelegt haben, um sich diese künstliche Befruchtung zu leisten, oder Personen, die sich diese künstliche Befruchtung leisten wollen, werden natürlich dahin tendieren, dass man zwei oder drei Eizellen, die eingepflanzt worden sind, auch im Mutterleib behält, und sich nicht nur für eine Eizelle entscheiden. Das, denke ich, darf auch zukünftig nicht weiter ein Fakt des Geldbeutels sein, denn das wäre weiß Gott nicht mit der Menschenwürde weiterhin zu vereinbaren.


An der Stelle komme ich wieder zurück auf die Thematik und ich bin auch der Koalitionsfraktion sehr dankbar darüber, dass sie zumindest mit dem heute vorgelegten Antrag einen weiteren Schritt in die Diskussion hier im Thüringer Landtag gehen wollen, denn bereits andere Länder haben mit ihren Anträgen im Bundesrat im Jahr 2008 und 2009 versucht, das rückgängig zu machen, was eine ehemalige Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Ich möchte hier ganz bewusst noch einmal die damalige Staatssekretärin des Sächsischen Sozialministeriums zitieren. Frau Helma Orosz stellte fest, wo es darum ging, im Bundesrat über die Thematik zu reden, zitiere: „Entweder bezahlen wir ähnlich wie in Dänemark mindestens drei Behandlungen und bringen damit in Deutschland bis 2050 möglicherweise 1,6 Mio. Kinder auf die Welt oder wir halten an der derzeitigen Regelung fest und verlieren fast jedes zwischen 6.000 und 10.000 Kinder.“ Da ist nichts hinzuzufügen und wir sollten wirklich alles versuchen, dass eine Bundesratsinitiativ, wo die volle Kostenübernahme gewährt wird, für alle vier Versuche und auch ohne Altersgrenze hinaus, dass genau dieses auf den Weg gebracht werden kann.


(Beifall DIE LINKE)


Über die FDP waren wir bereits in der Diskussion und haben festgestellt, dass Herr Koppe eine vollkommen andere Meinung hat. Da verwundert es mich schon, dass Sie keinen Handlungsbedarf sehen, wie Sie das ja letzte Woche bereits in einer Pressemitteilung uns zur Kenntnis gegeben haben. Denn, Herr Koppe, wer wie Sie, so sage ich mal, vor allen Dingen unter den Reichen dieser Gesellschaft sein Klientel ausmacht, sieht natürlich kein Handlungspotenzial für diejenigen Frauen oder Paare, die es sich nicht leisten können. Dies verwundert mich nun wiederum auch nicht, denn Ihr designierter FDP-Vorsitzender auf Bundesebene ist ja zeitgleich der Bundesgesundheitsminister und von dem habe ich in den letzten Jahren auch nicht erlebt, dass er sich um sozial Schwache besonders kümmert.


(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Da müssen Sie mal aufpassen.)


Sehr geehrte Damen und Herren, aber uns liegt ja kein Antrag von der FDP vor, darin würde vielleicht die ganze Abschaffung formuliert, sondern uns liegt ein Antrag in erster Linie von der Regierungskoalition vor und von den GRÜNEN, aber auf die Thematik der GRÜNEN würde ich zu einem späteren Zeitpunkt noch mal kommen. Ich sage ausdrücklich an die Koalitionsfraktionen: Ich denke schon, Sie sind auf dem halben Wege mit dem Antrag stehen geblieben, denn genau das, was Sie alles auch argumentiert haben hier vor mir, steht in unserem Antrag. Man muss einfach allen, die es wünschen, auch ermöglichen, dass eine künstliche Befruchtung nicht von dem Geldbeutel einer Person oder einer Familie abhängt. Wir haben bereits in Erfahrung gebracht und Sie haben es auch gesagt, die Kollegen von der CDU, dass eine künstliche Befruchtung eine sehr hohe finanzielle Belastung für eine Familie darstellt. Im Durchschnitt kostet sie zwischen 3.000 und 3.600 €. Manche sprechen sogar von 4.500 €. Gehen wir davon aus, dass ein Anteil von den Eltern zu bezahlen ist, so kommt immer noch eine Summe zwischen 750 und 900 € auf die betreffenden Personen zu. Bei vier Versuchen wäre das sogar ein selbst zu zahlender finanzieller Beitrag von 5.000 bis über weit 6.500 €. Das ist einfach zu viel und man sollte das Thema Kinderwunsch wirklich nicht am Geldbeutel festmachen. Aber, das sage ich auch im Hinblick auf CDU und SPD, es ist eben nicht nur ein Thema des Geldbeutels. Auch ein Thema in Ihrem Antrag ist der restriktive Umgang mit den Bestimmungen, dass nämlich nur Ehepaare die Möglichkeit haben sollen zukünftig zur künstlichen Befruchtung. Darin kommt halt wieder in unseren Augen Ihr konservatives Familienbild zum Ausdruck, das leider von der SPD diesmal mitgetragen wird. Wir LINKE sagen ganz deutlich, jeder Mensch hat unabhängig vom Geldbeutel und der sexuellen Orientierung und seines Familienstandes das Recht, ein Kind zu bekommen.


(Beifall DIE LINKE)


Es gibt nicht gute Kinder, die in einer Ehe geboren werden oder nicht so gute Kinder, die in unehelichen oder in Lebensgemeinschaften zur Welt kommen. Es gibt den Fakt Kind und jedes Kind ist uns gleich viel wert und sie müssen alle gleiche Rechte haben.


(Beifall DIE LINKE)


An der Stelle bin ich ganz zufrieden, dass wir über manche antiquierte Familienbilder in den letzten Jahren etwas hinweggekommen sind. Ich möchte noch einmal an das Europaparlament erinnern, das vor wenigen Wochen gemeinsam, die Liberalen und die LINKEN übrigens, einen Antrag in den zuständigen Sozialausschuss eingebracht haben, wo die Landesregierungen der EU-Mitgliedstaaten aufgefordert werden, den Zugang zur künstlichen Befruchtung ohne jegliche Begrenzung zu gewähren und die Diskriminierung von Frauen zu beseitigen.


Herr Koppe, das ist ein Ansatz, den Sie sich noch einmal anschauen sollten, dann haben Sie vielleicht auch die Möglichkeit, anders zu argumentieren.


(Zuruf Abg. Koppe, FDP: Da geht es aber nicht um Finanzierung.)


Es gibt also auch für mich die Frage, warum sollen Frauen unter 25 oder jenseits der 40 nicht mit einer künstlichen Befruchtung sich zukünftig weiter befassen dürfen. Das sollten wir wirklich noch einmal ausdrücklich in den Ausschüssen bereden. Auch Frauen sollten die Möglichkeit haben, weit über das 40. Lebensjahr und Männer auch über das 50. Lebensjahr sich diesen Behandlungen zu unterziehen. Wir haben also unseren eigenen Alternativantrag gestellt. Ich habe es bereits begründet, was die Fraktion DIE LINKE möchte: die vollständige Übernahme der Kosten für vier Versuche, die Aufhebung der strikten Altersbegrenzung, den Zugang zur künstlichen Befruchtung für alle Frauen unabhängig des Familienstandes. Das ist uns ganz wichtig.


Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ich war schon etwas erschrocken, als ich Ihren Alternativantrag gelesen habe. Ich habe auch lange gebraucht, um ihn zu verstehen. Vielleicht wollten Sie mit dem Antrag verschleiern, was Ihre Fraktion im Bundestag 2003 auf den Weg gebracht hat - die Schlechterstellung. Mag ja sein, dass Sie somit ablenken wollten und sind auf die ganze Thematik um Ehegattensplitting, Kindergrundsicherung, Transferleistungen, Ausbau der Kitas etc. gekommen. Aber das ist natürlich etwas, was die Elterngeneration, die schon Kinder haben, betrifft. Da sind wir ja ganz dicht beieinander. Wir reden aber im Moment über Eltern, die Kinderwunsch haben und die später erst einmal diese anderen Dinge in Anspruch nehmen würden. Wir wären gern bei Ihnen gewesen, aber so kann man den Antrag leider in den Punkten nur ablehnen, den Sie wollen, und das ausdrücklich, eine Verschärfung der Kosten, sie wollen die finanzielle Unterstützung nicht übernehmen, sondern Sie wollen es einkommensabhängig gestalten, ohne hier eine Differenzierung vorzulegen. Es ist ja zu vermuten, dass dann zukünftig vielleicht noch Millionärsfrauen nur noch sich diese selbst leisten können. Alle anderen haben vielleicht gar nicht die Möglichkeit, diese künstliche Befruchtung durchführen zu lassen, weil es nicht bezahlt wird. An der Stelle also ein ausdrückliches Nein zu Ihren Vorschlägen, weil sie Schlechterstellung von Personen herbeiführen würde. Wir würden gern unseren Antrag auch mit überweisen. Danke.


(Beifall DIE LINKE)

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