Geschlechtergerechte Verwendung von Haushaltsmitteln - Gender-Budget-Nutzenanalyse in der Aufstellung und Durchführung des Haushalts 2013/2014 etablieren

Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 5/4620

Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 5/4620

 

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kemmerich, Sie haben heute wieder ein tolles Beispiel dafür gegeben,


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


dass Sie wirklich nicht würdig sind, Gleichstellungsausschussvorsitzender zu sein, auch wenn es bei diesem Thema im Vordergrund steht, geschlechtergerechte Haushalte einfach als Modell mal zu denken und einzuführen. Ich finde es wirklich skandalös. Und ist es nicht schlimm, Herr Kemmerich, wenn man einen Antrag abschreibt, wie das die GRÜNEN getan haben, wenn damit der Weg zum Ziel gegangen wird, geschlechtergerechte Haushalte in Thüringen auf den Weg zu bringen.


Ja, ich gebe den GRÜNEN recht, dass mit den Mitteln des Gender-Budgeting Einnahmen und Ausgaben darauf überprüft und gesteuert werden können, welche unterschiedlichen Auswirkungen auf Männer und Frauen diese haben.


In diesem Sinne - das haben wir bereits gehört - hat das Europäische Parlament bereits entsprechende Beschlüsse gefasst und auch zahlreiche andere Länder. Interessanterweise gehen die sogenannten Entwicklungs- oder Schwellenländer diesen Schritt. Ich will daran erinnern, Korea, Südafrika oder Peru haben sich auch auf den Weg gemacht, die Haushalte zu gendern. Wir hatten das nette Erlebnis gemeinsam, Frau Pelke war dabei, in einer Besuchergruppe aus Korea, Nord- und Südkorea die Frage gestellt zu bekommen, ob und was wir von gegenderten Haushalten halten. Wir haben uns zumindest gemeinschaftlich positiv darüber geäußert. So weit meine Erinnerung an diese Besuchergruppe.


Alle, die mit Finanzen umgehen, wissen, dass öffentliche Haushalte in Zahlen gegossene Politik sind und es gibt keine geschlechterneutralen Haushalte, gleichgültig, ob man sie wahrnimmt oder nicht. Ein auch etwas älteres Beispiel will ich gern noch einmal nennen: Im Jahr 2003 wurden knapp 184.000 Arbeitslosenhilfeanträge abgelehnt, davon waren zu 75 Prozent Frauen betroffen. Die Erfindung der Bedarfsgemeinschaften hat eine weitere negative Auswirkung hinsichtlich der Förderung von Frauen hinzugesetzt. Weil sie sich nicht länger geschlechtsblind verhalten wollten, haben die Länder Berlin und Österreich das Gender Budgeting in die Haushaltsführung integriert. Daraus kann auch Thüringen lernen und zwar viel lernen.


Zuerst einmal ist - das habe ich bereits erwähnt - das Gender Budgeting ein Analyseinstrument, mit dem Einnahmen und Ausgaben daraufhin untersucht werden, wer in welcher Weise davon profitiert oder auch benachteiligt wird. Ein paar eindrückliche Beispiele hinsichtlich der Einnahmen konnte ich in Großbritannien finden, hier wurde zum Beispiel eine Analyse des sogenannten Nothaushaltes aus dem Jahr 2009 unterbreitet. Interessanterweise hat das Ergebnis der Analyse hervorgebracht, dass von den zusätzlich eingenommenen 8 Mrd. € die Frauen 5,8 Mrd. und die Männer nur 2,2 Mrd. zugesteuert haben, also ein Ungleichgewicht.


Andere Beispiele zeigen, welche Ausgaben bei Mädels und Jungen, bei Frauen und Männern ankommen - das ist nicht immer nur zum Nachteil von Frauen. Hierzu möchte ich einige Beispiele aus Berlin nennen, denn ich vermute, auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden sich dann noch einmal darauf berufen.


Ich will in den Bildungsbereich gehen und wir wollen uns mal die Bibliotheken, die Volkshochschulen, die Musikschulen anschauen, welchen wesentlich größeren Nutzen davon Frauen und Mädchen haben. Es ist nicht verwunderlich, aber die Untersuchung der unterschiedlichen Gründe hat dazu geführt, dass hier Abhilfe geschaffen werden konnte und Jungen und Männer besser auf die zukünftige Nutzung genau dieser Schulen eingestellt werden konnten. So ist einfach in der Sachausstattung, sprich in der Jungen-Literatur, mehr investiert worden, aber auch Onlinearbeitsplätze sind angeschafft oder es ist ein männlicher Bibliothekar eingestellt worden. All das hat dazu geführt, dass mehr Jungen in Berliner Bibliotheken gegangen sind und diese genutzt haben. Noch ein Beispiel aus einer Musikschule: Hier wurden die Angebote einfach dahingehend umgestrickt, dass zum Beispiel Unterricht für Schlagzeug, für Trompete, E-Gitarre oder Bass aufgenommen oder eine ganze Jazzabteilung gegründet wurde und so ist auch der Anteil der Jungen, die in die Musikschule gehen, deutlich erhöht worden. An den Beispielen sieht man, dass mit Gender Budgeting etwas erreicht wird und dass zum Beispiel auch ein Umdenken in Politik, entweder im Land oder in den Kommunen, vorangegangen ist.


Nun noch ein paar Sätze zu dem Antrag der Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ja, ich denke, es ist gut, wenn wir damit anfangen, ein Modell in den Einzelplänen 7 und 8 auf den Weg zu bringen für Thüringen und einfach einmal zu erleben, wie es gehen kann. Mehr schreiben Sie ja gar nicht in dem Antrag und ich weiß gar nicht, wie Kollege Kemmerich da über Straßen redet, denn das ist ja, glaube ich, im Einzelplan 010 verankert.


(Beifall DIE LINKE)


Aber man muss halt sich mit dieser Thematik beschäftigen.


(Zwischenruf Abg. Schubert, Bündnis 90/DIE GRÜNEN: Genau, und es auch wollen.)


Aber nicht nur Positives, ich gebe auch ein paar negative Bemerkungen zu den von Ihnen aufgezeigten Einzelgruppen in den Haushalten. Da sage ich, wenn das Thema Blindenhilfe mit gegendert wird, wird es etwas schwer, denn es gibt keine geschlechterspezifische Steuerungsmöglichkeit. Wer Anspruch auf Blindenhilfe hat, hat sie. Und da kann man nicht schauen, ob das Mann oder Frau ist, da sind einfach andere Mechanismen möglich. Also der Bereich ist nicht so positiv. Ich will auch noch mal auf die Thematik in den Frauenbereichen eingehen. Wir wissen, es fließt viel Geld in die Frauenbereiche, in Frauenprojekte, Frauenhäuser und -zentren und man kann also nicht zeitgleich die Schlussfolgerung treffen, dass damit die Männer benachteiligt werden. Das ist falsch, meine sehr geehrten Damen und Herren,


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


das will ich einmal eindeutig sagen, denn solange Frauen weiterhin diskriminiert werden, so lange Frauen auch geschlagen werden im häuslichen Umfeld, brauchen wir genau in diesen Bereichen noch erhöhte Mittel. Darum ist nicht gleichzusetzen, dass Männer an dieser Stelle benachteiligt werden. Also wir sehen, wenn man Ihren Antrag, werte Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sehr intensiv liest, haben wir eine Chance, um uns mit geschlechtergerechten Haushalten auch in Thüringen auseinanderzusetzen. Diese Chance sollten wir nutzen und sollten natürlich im Haushalts- und Finanzausschuss dieses gemeinsam beraten.

Allerdings müssen wir, bevor wir uns heute zu diesem Antrag und zu der Beratung in den Ausschüssen und später zur Verabschiedung entschließen, auch die Frage an die Landesregierung und an die Verwaltung stellen: sind Sie denn wirklich bereit, sind Sie denn wirklich bereit, dieses neue Denken auch in die Haushaltsberatungen für 2013 mit aufzunehmen? Denn in den Ländern, wo das nur pro forma abgearbeitet worden ist, ist mit großen Bürokratien und mit großem Desinteresse gearbeitet worden - das hilft dem Anliegen natürlich nicht und dieses wollen wir nicht. Ich möchte darum auch noch mal mit anregen, und der Finanzminister wird es vielleicht mit aufnotieren, dass, wenn wir uns um geschlechtergerechte Haushalte zukünftig intensiver kümmern wollen, dass wir Weiterbildung brauchen, Weiterbildung für die Beamtinnen und Beamten in den Ministerien, damit auch der Blick für diese Thematik geöffnet wird. Ich danke.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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