Gesetz zur Novellierung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes und zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung 1/2

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 5/4925

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 5/4925

 

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, werte Frauen aus den Kommunen vom Landesfrauenrat, die heute hier sind, um diese Debatte mitzuerleben für ein modernes Gleichstellungsgesetz, das sage ich in Anführungsstrichen. Herr Worm, Ihre Rede wird in die Geschichte eingehen,


(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das glaube ich nicht!)


(Unruhe CDU)


und zwar unter dem Motto „Opfer-Abo für Männer“,


(Beifall DIE LINKE)


genauso wie die Plakate heute aussahen, die die Frauen mitgebracht haben, um auf diese Situation aufmerksam zu machen. Eisiges Wetter, eisige Stimmung, aber heiße Proteste heute Vormittag,


(Beifall DIE LINKE)


- die wir gemeinsam organisiert haben -


(Unruhe CDU)


(Zwischenruf Abg. Lehmann, CDU: Das war ja wohl klar.)


und an denen sollten wir uns in der Diskussion orientieren. Modern sollte es werden, das neue Gleichstellungsgesetz.


(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das ist es!)


Modern war die Forderung vom Landesfrauenrat, die seit mehr als drei Jahren gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten des Landes und mit den Vertreterinnen der Fraktionen für ein modernes Gleichstellungsgesetz gearbeitet und gestritten haben. Aber heute werden wir leider erleben, dass Anspruch und Wirklichkeit werden weit auseinander klaffen.


(Beifall DIE LINKE)


Wenn Männer die besseren Frauen werden wollen, sollten wir als Frauen sehr skeptisch sein.


(Beifall DIE LINKE)


Mein Vorredner hier an dem Platz hat es gerade deutlich gemacht. Wenn noch Begründungen, wie wir sie in den letzten anderthalb Wochen lesen konnten in der Presse ins Feld geführt werden, wie vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Herrn Mohring: Die Männer regieren ja auch die Länder.


(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ich habe gesagt: Wir können auch Länder regieren.)


Oder wie Sie sicher gestern etwas sarkastisch anlässlich Ihres Aschermittwochs gesagt haben, ich zitiere, wie ich es in der Presse lesen konnte: „Irgendeinen Posten muss ein Mann ja in diesem Land noch bekommen und wenn es der Posten des Gleichstellungsbeauftragten ist.“


(Zwischenruf Abg. Hausold, DIE LINKE: Das war mehr persönlich gemeint.)


Dann denke ich, es ist nicht ironisch gemeint, sondern es ist genau Ihr Denken und Ihre Struktur, wie Gleichstellung in dem Lande wirklich passieren soll. Herr Worm, einen Satz sage ich noch, bevor ich dann auf die Inhalte komme. Wenn Sie sich heute darüber positiv äußern, dass dieser Gesetzentwurf der Landesregierung sich durch Kostenneutralität auszeichnet, dann ist das wohl die falsche Freude am falschen Ort, denn genau Kostenneutralität ist es, die die Frauen seit vielen, vielen Jahren immer wieder beklagen, weil sie sagen, wir brauchen mehr Geld, um wirkliche Gleichstellungsarbeit in den Kommunen vor Ort leisten zu können, um Veranstaltungen durchzuführen, um auch Männer, die nicht den Faible für Gleichstellung haben, genau diesen Inhalt näher zu bringen. Das kann man nicht mit Kostenneutralität erreichen. Hier braucht es ein Mehr an Geld.


(Beifall DIE LINKE)


Das hat der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE unter anderem auch mit eingeplant. Wir hatten es in den Haushalt für das Jahr 2012 auch eingestellt. Sie haben es abgelehnt. Noch ein Argument, das Sie ins Feld geführt haben, wir hätten gesagt, Männer könnten es nicht. Das stimmt so nicht. Das weise ich für mich und meine Fraktion sehr, sehr energisch zurück. Dieses Argument ist nie gekommen,


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


sondern wir haben es immer an konkrete Handlungen und Inhalte gebunden. Wenn Rahmenbedingungen stimmen, von denen ich gleich noch reden werde, sagen wir auch, ist die Zeit reif, dass Männer Gleichstellungsbeauftragte werden können. Im Moment geht das noch nicht.


(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Sie müssen es festlegen, das ist die Hauptsache!)


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Darum stehen und sitzen die Frauen hier oben auf der Tribüne.


(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Sie müssen wählen!)


(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Die Mehrheit!)


Ja, gucken Sie doch mal in Ihre Reihen! Wie viele Frauen haben Sie denn? Wie viele denn? Eine haben Sie geschafft, hier in diesen Landtag reinzubringen.


(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Die Beste!)


Das mag sein. Aber Sie hat nicht die Kraft, sich durchzusetzen. Ich komme jetzt zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung und will auch noch mal, bevor ich auf die Thematik der Gleichstellungsbeauftragten in männlicher Form eingehe, auf meine Kritiken an diesem Gesetzentwurf eingehen, die ich bereits in der Einbringung geäußert habe, an der sich nichts geändert hat. Nach jahrelanger Diskussion lag der Gesetzentwurf auf dem Tisch, und wir konnten lesen - das ist eigentlich das ganz, ganz Schlimme -, dass 74 Prozent aller kommunalen Gleichstellungsbeauftragten zukünftig eingespart werden sollen. Das sind 134 Gleichstellungsbeauftragte weniger als jetzt und dann sollen es vielleicht auch noch die Hälfte davon Männer werden. Keine der verbleibenden 48 Stellen soll eine volle VbE werden. Die Gleichstellungspläne sind dann nur noch in den Dienststellen von mindestens 50 Bediensteten und dies nur noch alle sechs Jahre vorzulegen. Eine Freistellungsregelung ist in den Gesetzentwurf eingebracht worden, von dem kaum eine Frau je profitieren wird, und wir sehen, eine klare Quote für die Führungspositionen fehlt auch. Ich sehe darin nicht wirklich ein neues modernes Gleichstellungsgesetz.


„Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Das Land, seine Gebietskörperschaften und andere Träger der öffentlichen Verwaltung sind verpflichtet, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durch geeignete Maßnahmen zu fördern und sicherzustellen.“ Das schreibt die Thüringer Verfassung in Artikel 2 Abs. 2. Der Wortlaut dieser Verfassung macht deutlich, die Gleichberechtigung auf dem Papier ist nur ein wichtiger Schritt, aber das Ziel ist die dauerhafte Gleichstellung von Frauen und Männern im Alltagsleben soll heißen: Gleiche Teilhabe von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen.


(Beifall DIE LINKE)


Aber genau dies ist nicht gegeben. In einem Land, in dem Frauen bei gleicher Qualifikation für gleiche Tätigkeiten im Durchschnitt immer noch 20 Prozent weniger verdienen als männliche Beschäftigte, in dem prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Minijobs vor allem Frauensache sind, in dem alleinerziehende Mütter und Frauen im Alter besonders von Altersarmut bedroht sind, in dem es an Hochschulen zwar immer mehr Absolventinnen gibt, aber immer weniger Doktorinnen und Professorinnen wirklich eingestellt werden, in dem in viele Ausbildungsbereiche junger Frauen, die besser qualifizierte Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse zwar erhalten, aber dann bei der Suche nach ordentlich bezahlten Jobs genau diese nicht bekommen. In einem solchen Land -und damit ist Thüringen gemeint - ist es für mich zynisch und klingt wie Hohn, wenn in einem Gleichstellungsgesetz als Gesetzesziel dann auch noch die sogenannte gleichberechtigte Förderung von Männern mit festgeschrieben werden soll.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber genau das will die Mehrheit des Thüringer Landtags heute; zu dieser Mehrheit, werte Kolleginnen und Kollegen der SPD, gehören auch Sie. Ich sehe das als sehr bedauerlich an, denn Sie haben offensichtlich Ihre Wurzeln, Ihre Geschichte und auch Ihre derzeitig geltende Programmatik vergessen. Vielleicht ändern Sie ja noch Ihre Auffassung.


Sie haben oft in den letzten Wochen von Antidiskriminierungsgesetz und deren Umsetzung gesprochen. Ich habe noch einmal den Europäischen Gerichtshof und die EU-Richtlinie bemüht und da sehen wir wirklich, dass die Ziele auf tatsächliche wirksame Beseitigung von Diskriminierung nach Nachteilsausgleich zugunsten von Frauen formuliert worden sind. Natürlich benennt der EuGH auch das Zulässigkeitskriterium der Unterrepräsentanz von Frauen. Es muss also tatsächlich eine Benachteiligungssituation bestehen. Der Ausgleich eines Nachteils ist somit notwendig. Aber die Realitäten habe ich eben genannt, die sehen doch ganz anders aus. Wenn ich Rechtssprechung des EuGH und die Richtlinie und die Thüringer Verfassung genau hernehme, so bezweifle ich sehr, sehr stark, dass der Gesetzentwurf, der uns heute von der Landesregierung zur Abstimmung vorgelegt worden ist, wirklich mit der Thüringer Verfassung konform ist. Wir werden es überprüfen lassen.


Getreu dem Wort der französischen Schriftstellerin Simone de Beauvoir haben wir Frauen heute draußen vor dem Landtag deutlich gemacht, Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen und bekommen auch nichts. Die Frauen in Thüringen möchten etwas bekommen - ein modernes, tatsächlich wirksames Gleichstellungsgesetz. Die neue Wortwahl im Gleichstellungsentwurf der Koalition zeigt leider deutlich, die immer noch bestehende Benachteiligung und Diskriminierung von Frauen soll geleugnet und verschleiert werden. Doch diese negative Tatsache lässt sich nicht damit wegreden, indem wir „Frauenförderung“ in „Förderung des unterrepräsentativen Geschlechtes“ einfach umwandeln. Gesetze, und das haben wir schon in der Schule gelernt, haben eine gesellschaftliche Wirklichkeit zu gestalten und zu verändern. Dieses Gleichstellungsgesetz verändert nichts, sondern sie bringt eigentlich eine Ungleichstellung von Frauen weiter in den Vordergrund. An der Stelle sagen wir auch: Wir, die in den letzten Jahren und Wochen mit den Frauenverbänden gesprochen haben, werden für diese Unterrepräsentanz nicht streiten, sondern wir streiten für eine wirksame Quote.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da frage ich mich schon, wie die Unterrepräsentanz der Landesregierung festgelegt worden ist. 40 Prozent, Frau Taubert? Sind wir Frauen nicht mehr wie 50 Prozent auf dieser Erde und auch hier in Thüringen? Da wollen wir das doch nicht bei 40 Prozent festmachen.


(Zwischenruf Abg. Worm, CDU: Das sind doch Zahlen.)


Ja, genau die Zahlen machen es doch deutlich, wie Sie denken.


(Unruhe CDU)


(Zwischenruf Abg. Hennig, DIE LINKE: Sie haben es nicht verstanden, Herr Worm.)


Werte Kolleginnen und Kollegen, dass die Funktion der Frauenbeauftragten in Gleichstellungsbeauftragte umbenannt worden ist, das beanstande ich nicht. Das habe ich auch in unseren Gesetzentwurf geschrieben. Ich beanstande viel, viel deutlicher und eingehender, dass Inhalte und Ziele mit dieser Funktion in den Gesetzentwurf der Landesregierung nicht beschrieben worden sind und dass sie auch nicht umgesetzt werden in Paragraphen.


Nun haben wir leider zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Mehrheit des Thüringer Landtags offensichtlich etwas ganz Spezielles, etwas Eigenes machen will. Ich sage es mal, es soll eine Lex Thüringen werden. Hier sollen also Männer zum Gleichstellungsbeauftragten demnächst gewählt werden. Ich dachte erst, es ist ein schlechter Scherz. Nur, ein schlechter Scherz ist es nicht und es ist nicht mal ein Faschingsscherz geworden, denn dann wäre er gestern vorbei gewesen.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Männer als Gleichstellungsbeauftragte, das hört sich auf den ersten Blick als echte Geschlechterchancengleichheit an. Das ALG wurde immer wieder ins Feld geführt, aber es wird ins Gegenteil umkehren. Ein Mann als Gleichstellungsbeauftragter heißt doch nichts anderes - und das ist doch das Problem -: Auch in Sachen Beseitigung von Benachteiligungen und Diskriminierung, in Sachen von Emanzipation und gleiche Teilhabe können die Frauen das nicht selbst durchsetzen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Männer müssen auch noch für die Frauen kämpfen. Das ist Patriarchat und das ist patriarchalisches Denken und Handeln in Reinkultur, werte Kollegen, und tatsächliche Gleichstellung und Teilhabe ist für meine Begriffe jetzt Lichtjahre entfernt. Dieses „Männermodell“ von „anno dazumal“, das jetzt im Gesetz aufgeschrieben wurde, ist etwas ganz Skurriles, es ist eine Randerscheinung aus einem sehr, sehr alten gesellschaftspolitischen Modell, welches heute im Landtag scheinbar mehrheitlich abgestimmt werden soll.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Werte Kolleginnen und Kollegen, es gibt Alternativen, das sage ich an der Stelle einmal ganz deutlich. Es gibt den alternativen Gesetzentwurf meiner Fraktion DIE LINKE, dieser liegt seit 13 Monaten in dem Landtag bereits vor und in diesem Gesetzentwurf sind wirkliche gleichstellungspolitische Forderungen formuliert worden und auch Ideen von Frauenverbänden und Organisationen mit aufgenommen worden und er ist praktikabel und durchfinanziert.


An der Stelle sage ich auch noch einmal Danke für die vielen, vielen Zuarbeiten, die ich diesbezüglich in den letzten eineinhalb Jahren erhalten habe. Ich will noch einmal ein paar Regelungen aus unserem Gesetzentwurf, aus einem modernen Gleichstellungsgesetzentwurf der LINKEN hier vortragen. Wir stehen dafür, dass auch in einem Gleichstellungsgesetz vor allem die Gleichstellung aller Lebensweisen mit aufgenommen werden kann. Wir stehen dafür, dass das Verbot an sexueller Belästigung am Arbeitsplatz mit aufgenommen wird. Wir stehen dafür, dass ordentliche Sanktionen eingeführt werden, das Verbandsklagerecht, dass die Gleichstellungsbeauftragten bereits in Kommunen ab 15.000 Einwohnern gewählt und eingeführt werden sollen, dass sie ein Budget erhalten, um ihre Arbeit durchführen zu können


(Beifall DIE LINKE)


und die Fraktion DIE LINKE steht auch dafür, dass auch bei öffentlichen Vergaben die Thematik Frauenförderung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit bedacht wird.


(Beifall DIE LINKE)


Das, werte Kolleginnen und Kollegen, ist ein Gleichstellungsgesetz, das wirklich den Namen „modern“ erhält, und wenn Sie jetzt im Rahmen der Diskussion und aufgrund der Proteste von heute Morgen und in den letzten Wochen zu dem Entschluss kommen, werte Kollegen der FDP, der SPD und der CDU, noch einmal neu zu diskutieren, dann bieten wir natürlich an, unseren Gesetzentwurf noch einmal an den Ausschuss zu überweisen, um dort mit Ihnen zu diskutieren, damit Thüringen und die Thüringer Frauen und Verbände ein Gleichstellungsgesetz erhalten, das auch wirklich den Namen „modern“ verdient.

Ich sage noch zwei Sätze zu den Änderungsanträgen von der FDP, nein, dazu muss man nichts mehr sagen,


(Beifall DIE LINKE)


das ist genau so unmodern wie Ihre vorgeschlagenen Änderungsanträge, die wir bereits im Ausschuss abgelehnt haben.


Zu dem Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will ich nur sagen, dem würden wir zustimmen, weil der auch sehr, sehr weit mit unseren Intentionen übereinstimmt.

Ich bitte Sie, entscheiden Sie für Frauen, für ein modernes Gleichstellungsgesetz, heute hier in diesem Landtag, stimmen Sie dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zu. Danke schön.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




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