Häusliche Gewalt wirkungsvoll verhindern 2/2

Zum Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 5/5200

Zum Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 5/5200


Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, so einfach ist es halt nicht, werte Frau Pelke, werte Frau Holzapfel, nach dem Motto, wir hätten in den letzten Monaten alles, aber wirklich auch alles diskutiert und hätten alle Probleme ausgeräumt. So ist es nicht, denn Sie wissen doch selbst, wenn Sie vor Ort in den Interventionsstellen oder in den Frauenhäusern unterwegs sind, dass die Frage nach der dauerhaften Finanzierung eine immer wieder stehende Frage ist und aus diesem Grunde haben wir auch den Punkt 1 unserer Bundesratsinitiative hier noch einmal eingefordert. Frau Rothe-Beinlich hat gerade von der am Montag dieser Woche in Berlin vorhandenen Diskussion und Beratung genau zu diesem Thema gesprochen. Ich will noch einmal ein paar Dinge dazu erwähnen. Wir verschließen uns doch die Augen, wenn wir glauben, es sei alles geklärt, wenn in Thüringen die Finanzierung der Frauenhäuser im Moment jedes Jahr gewährleistet ist. Aber wir wissen doch gleichzeitig, dass vor vier Jahren die Finanzierung auf einem höheren Level war. Und wir wissen auch, dass die Mitarbeiterinnen vor Ort uns immer wieder sagen, dass sie seit Jahren keine Tariferhöhung hatten und dass sie eigentlich ihre Arbeit unter der sogenannten „Selbstausbeutung“ bereits erledigen.


(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Warten Sie doch die Haushaltsdiskussionen ab.)

Und Sie wissen doch auch, dass es qualifizierte Mitarbeiterinnen sein müssen vor Ort in den Interventionsstellen und in den Frauenhäusern, die genau diese Arbeiten durchführen müssen. Und da frage ich schon, Herr Kemmerich, wer stellt denn in Berlin die Fraktion? Es ist wohl CDU und FDP, die immer wieder Anträge abgelehnt haben, dass Frauenhausfinanzierung zur Pflichtaufgabe wird. Damit könnte eine wirkliche finanzielle Sicherheit gewährleistet werden. Hier müssen wir weiter einhacken. Und an der Stelle lassen Sie mich auch noch einmal auf den Punkt 2 unseres Antrags hinweisen, die Berichterstattung. Wenn Sie wirklich glauben, dass wir Zahlenmaterial hätten, dass wir Informationen hätten, dann müssten Sie sich mal mit den Antworten auf die Kleinen Anfragen, die aus meiner Fraktion gestellt wurden, näher befassen. Da ist eindeutig seitens des Ministeriums immer wieder gesagt worden, wir haben keine Zahlen, wenn es z.B. um die Gewalt an Frauen mit Behinderung geht. Diese werden gar nicht erhoben. Darum ist es eine Forderung von seiten der Behindertenverbände genau diese zu analysieren, damit auch konkrete Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden können.


Meine Fraktion hat am 26.11. eine große Fachtagung durchgeführt, wo wir das Thema behinderte Frauen und behinderte Frauen mit Gewalterfahrung in den Mittelpunkt gestellt haben und auch hier müssen wir leider konstatieren, dass die Zahlen erschreckend sind. 74 bis 90 Prozent der Frauen mit Behinderungen haben körperliche Gewalt durch ihre Eltern erfahren. 20 bis 34 Prozent erlebten sexuellen Missbrauch in der Kindheit und in der Jugend und bereits jede 3. bis 5. Frau wurde als Tochter misshandelt oder missbraucht. Das ist eine traurige Statistik, die auf Bundesebene geführt wird, aber das Land kann uns keine eigenen Angaben machen, wie es denn hier in Thüringen aussieht. Und darum sage ich auch, hier brauch es noch mal eine Nacharbeit, hier brauchen wir konkrete Hinweise, wie auch die Arbeit mit behinderten Frauen, aber auch mit Frauen mit ausländischen Hintergrund in den Interventionsstellen sowie vor Ort in den Frauenhäusern verbessert werden kann. Und da geht es nicht nur in erster Linie um die Thematik, dass die Barrierefreiheit in den Frauenhäusern nun endlich hergestellt werden muss, dass behinderte Frauen überhaupt die Möglichkeit haben, vor Ort anzuklopfen und zu sagen, hier bin ich, ich habe Gewalterfahrungen machen müssen, ich möchte hier aufgenommen werden. Das ist im Moment in keinen der Thüringer Frauenhäuser möglich.


(Beifall DIE LINKE)


Ich finde es schon kontraproduktiv, wenn meine Kolleginnen und Kollegen im Gleichstellungsausschuss feststellen, es ist alles geregelt, wir haben alles getan und wir werden es schon auf den Weg bringen. Und Sie wissen auch, dass in der Anhörung im Februar dieses Jahres im Gleichstellungsausschuss die Mitarbeiterinnen der Interventionsstellen darauf hingewiesen haben, dass es unbedingt eine Fortschreibung des Maßnahmeplanes gegen häusliche Gewalt geben muss. Und wenn wir uns genau noch einmal anschauen, was passiert ist, dann sage ich, nichts ist passiert. Wir haben seit dem weder im Gleichstellungsausschuss noch in anderen Ausschüssen je eine Fortschreibung vorgelegt bekommen von dem zuständigen Ministerium noch haben wir eine Zuarbeit erhalten oder nur eine Information wie die Leitlinie der Thüringer Polizei denn auch fortgeschrieben werden. Und Sie wissen, genau das war ein Thema, was immer wieder angesprochen wurde, dass hier unbedingt Nacharbeit notwendig ist. Und so verstehe ich es nicht, dass hier auch wieder gesagt wird, wartet mal ab, wir werden alles im Ausschuss klären. In einem Brief, werte Kolleginnen und Kollegen, der uns bereits im Juli dieses Jahres auch von Landesarbeitsgemeinschaft der Thüringen Interventionsstellen zugeleitet worden ist und hier will ich nur ein paar Sequenzen daraus vortragen, wurde uns noch einmal eindringlich in das Stammbuch geschrieben, wir mögen uns doch dafür einsetzen, dass gemeinsam mit den Vertretern des Innenministeriums folgende Themen besprochen werden sollten:


1. Die Verbesserung der Qualität und Quantität der Datenweitergabe per Fax, Herr Kemmerich, und Sie haben diesen Brief als Ausschussvorsitzender auch erhalten, per Fax.


2. Wurde darauf hingewiesen, dass perspektivisch eine Kooperation vor Ort aufgrund der Polizeistruktur noch einmal beredet werden muss.


Des Weiteren wurde auch uns mitgeteilt, dass die ersten Gespräche, die mit dem Innenministerium geführt worden sind, zu keinem wirklichen Ergebnis geführt haben und wir wurden gebeten, uns dafür einzusetzen, dass genau dieses noch einmal hier im Landtag und in dem Ausschuss zur Sprache kommt. Das mache ich hier mit unserem Antrag und hoffen, dass wir auf offene Ohren dabei stoßen, damit wir diese Thematik wirklich in den Gleichstellungssausschuss noch einmal aufnehmen können.


Lassen Sie mich zum Punkt 4, der Weitergabe der Daten, noch ein paar Argumente in den Raum werfen, die beweisen, wenn man will, dass es geht. Wir wissen, und das ist auch des Öfteren schon besprochen worden, dass der proaktive Ansatz der Interventionsstellen daran leidet, dass es eine mangelhafte Datenübergabe gibt. Es ist bekannt, dass Frauen, die gerade eine Gewaltsituation erfahren haben, natürlich nicht als allererstes in die Beratungsstellen gehen. Aber wir wissen, wenn sie angesprochen werden von den Fachfrauen in den Interventionsstellen und die Fachfrauen wissen, was den Frauen widerfahren ist, dass es viel einfacher ist, sich über das Erfahrene mit ihnen auszutauschen und auch Hilfe entgegenzunehmen. Darum ist es äußerst wichtig, diese Datenfaxabgabe wirklich vorzunehmen. Und ich rede das nicht einfach so daher und habe nicht die Achtung vor dem Datenschutz. Nein, im Gegenteil, ich habe mich schlau gemacht in anderen Bundesländern. Ich nenne mal Mecklenburg-Vorpommern. Der § 15 der datenschutzrechtlichen Vorschriften aus Mecklenburg-Vorpommern klärt und regelt, dass die Übermittlung von personenbezogenen Daten an inländische Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs zulässig ist, wenn diese zur Erfüllung einer in der Zuständigkeit der datenverarbeitenden Stellen liegt und die Aufgabe erforderlich macht. Nun sage ich mal, es ist ja wohl nicht so sehr schwer, einfach einmal Richtung Mecklenburg-Vorpommern zu gucken, um sich da genau zu informieren, was in Mecklenburg-Vorpommern geht, könnte ja wohl auch in Thüringen gehen. Somit wäre eine Vielzahl der offenen Fragen geklärt, die vonseiten der Interventionsstellen immer wieder an uns herangetragen worden sind.


(Beifall DIE LINKE)


Lassen Sie mich an der Stelle auch noch einmal darauf hinweisen, dass natürlich zu diesem späten Abend so ein Thema vielleicht nicht so sehr interessant zu sein scheint für Bürgerinnen und Bürger an dem Livestream oder an den Apparaten draußen, aber in einer öffentlichen Anhörung, wo wir noch einmal, und das wiederholt, mit den Fachfrauen und Fachmännern dies bereden könnten, hätten wir die Chance, auch im Jahr 2013 die offenen Fragen noch abzuklären, um auch den Thüringer Frauen, auch Männern, das sage ich sehr bewusst, Herr Kemmerich, auch den Thüringer Männern, die von Gewalt betroffen sind, die Möglichkeit zu geben, Schutzräume zu finden, diese auch zu nutzen.


An der Stelle noch einen Blick an das Innenministerium, an das Justizministerium: Wir wissen, dass seit vielen Monaten die Täterberatung die „Notbremse“ in Weimar geschlossen ist. Wir haben davon gehört, dass es ein Interessenbekundungsverfahren gegeben haben soll, wo eine neue Ausschreibung für die Täterberatung in Angriff genommen wurde. Mittlerweile ist die Ausschreibung beendet. Wir wissen also nicht, wo wirklich Täter hingehen könnten, um sich beraten zu lassen, um auch Therapie zu erhalten, damit sie nicht wieder zu Gewalttätern werden. Auch hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben. Ich hoffe einfach, dass das spätestens ab Januar geklärt ist, denn ich habe ja gesehen, in Ihrem Haushalt haben Sie Geld dafür eingestellt, was ja positiv ist. Das ist schon einmal ein Punkt, den ich auch einmal lobend an der Stelle erwähnen möchte. Ja, noch einmal für meine Fraktion, die Überweisung an den Gleichstellungsausschuss, damit die Fachdiskussion vor Ort weitergeführt werden kann. Danke.

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