Paritätische Besetzung der Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften und anderen Unternehmen durch Frauen und Männer

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1611 -

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1611 -


Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, werte Besucher auf der Tribüne, wir diskutieren - und die Berichterstatterin hat es gerade gesagt - seit Monaten hier im Landtag die Frage, ob der Anteil der Frauen in Aufsichtsräten erhöht werden soll - wenn ja, wie und wie verbindlich. Natürlich werden uns nachher die Kolleginnen und Kollegen der FDP erklären, dass dies überhaupt nicht möglich sei, dass wir keine Regelung brauchen, die in die Unternehmerfreiheit eingreift. Demgegenüber steht unser Vorschlag an eine Gesellschaft, der dieser Freiheit andere Werte gibt. Diese Forderungen werden wir heute auch noch einmal deutlich machen.


(Beifall DIE LINKE)


Wir wissen, werte Kolleginnen und Kollegen - und ich werde es dann an Beispielen auch noch einmal versuchen nahezubringen -, dass diese Forderung „Frauen in Aufsichtsräte“ eine lange, lange Zeit der Durchsetzung braucht. Wir müssen, wie man auch auf gut Deutsch sagt, hier an der Stelle dicke, dicke Bretter bohren. Erinnern möchte ich, um somit sozusagen eine Geschichtsaufzeichnung vorzunehmen, an die großen Errungenschaften des Grundgesetzes, wo es um die Gleichstellung von Frauen und Männern geht. Hier ist es den Müttern des Grundgesetzes gelungen, für eine für sie zentrale Forderung an einer sehr expliziten, prominenten Stelle des Grundgesetzes den Absatz 2 des Artikels 3 einzubringen. Wir wissen alle - und Sie kennen sicher das Grundgesetz -, dass dies mit viel, viel Engagement vorangetrieben werden musste, um hier rechtliche Verbindlichkeiten zu schaffen, dass Frauen gleichgestellt worden sind. So ist es zehn Jahre später erst gelungen, also im Juli 1958, mit dem sogenannten Gleichberechtigungsgesetz die rechtlich sanktionierte eheliche Schlechterstellung der Frauen abzuschaffen, also fast zehn Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes. Sie werden sagen: Was hat das heute mit unserem Antrag zu tun? Ich denke, ganz viel. In den 50er- und 60er-Jahren ging es darum, das damals Große und Ganze, also die grundsätzlichen Rechte von Frauen in der Bundesrepublik zu stärken, heute geht es in dem Fall um einen kleinen, ganz kleinen speziellen Aspekt von gesellschaftlicher Ausgrenzung, den wir heute auch mit dem Antrag, der hier vorliegt, und unserem Entschließungsantrag überwinden wollen.


Viele von Ihnen werden sagen, ein Großteil von Frauen wird sich darum gar nicht scheren, die wird es gar nicht interessieren, weil sie erstens vielleicht kein Interesse daran haben, je in ein Aufsichtsgremium einzutreten, und zweitens auch keine Möglichkeit haben, je in ein Vorstandsgremium zu kommen. Aber der Widerstand, der in den letzten Monaten oder Jahren, wo das Thema präsent ist in der Politik, der genau diesem Ansinnen entgegengestoßen ist, hat uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind mit der Forderung, dass endlich eine Quote für Frauen in Aufsichtsräten hier formuliert werden muss.


(Beifall DIE LINKE)


Gleichstellung ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, in weiten Teilen der Gesellschaft immer noch ein Ansinnen, dem gern gehuldigt wird, aber zeitgleich wird dies mit lächelndem Gesicht gern unterlaufen. Ja, so ist es auch zu sehen, wenn vorige Woche z.B. die Thüringer Staatskanzlei und andere Ministerien mit einer Auszeichnung versehen wurden - mit dem sogenannten Total-E-Quality-Preis für Chancengleichheit ausgezeichnet wurden. Ich denke, es ist in Ordnung, wenn die Ministerien und die Staatskanzlei dafür werben, dass sie Eltern-Kinder-Zimmer haben. Ich denke, es ist auch in Ordnung, wenn es Jobrotation für Frauen gibt. Aber gleichzeitig denken wir auch, es wäre besser gewesen, wenn die Landesregierung bei der Aufteilung von Staatssekretärinnenposten oder Ministerinnenposten sich auch mehr an Quote gehalten hätte.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es wäre sicher auch besser gewesen, wenn man bei der Verteilung von Abteilungsleiterinnen oder Referatsleiterinnen geschaut hätte, ob man Frauen findet und nicht einfach nur Männer einstellt oder Personalstellen unbesetzt lässt. Auch hier hat eine Landesregierung eine Verantwortung.


(Beifall DIE LINKE)


Denn immer dann, wenn es nicht allein um kleine Maßnahmen oder kosmetische Korrekturen geht, sondern wenn es wirklich um Fragen der Verteilung der Macht geht, stellen sich Gesellschaft und Politik nicht wirklich hinter diese Forderungen, die Frauen gleichermaßen zu beteiligen. Das zeigt dann auch wieder die Diskussion um die Aufsichtsräte und die Quote für die Frauen. In dieser Diskussion haben wir in den zurückliegenden Monaten gehört, dass eine Quote nicht automatisch davon zeuge, dass die Frauen Ahnung haben. Es gehe um Qualität, dass vielleicht Frauen, die in Aufsichtsräten sitzen, mehr Schaden für die Wirtschaft bringen, dieser müsste abgewandt werden. Aber interessant ist immer gewesen in diesen Diskussionen, dass man Männern dieses nicht automatisch unterstellt. Bei reiner Männerbesetzung in Aufsichtsräten wird nie gefragt, wie kann ein Mann eine Bilanz lesen, kann der Herr und ist der Herr in der Lage, wirklich ein Unternehmen zu steuern und zu beaufsichtigen. Ich glaube, die Geschehnisse in den letzten zwei, drei Jahren haben gezeigt, dass das nicht immer automatisch geht. Interessant ist in dem Fall auch der Abwehrmechanismus der Unternehmen und ihrer Vertreter. Leider funktioniert dieser immer und immer wieder. Erst wird versucht, ein Thema in Gänze vom Tisch zu bekommen, indem der wirtschaftliche Untergang heraufbeschworen wird, wenn sich reine Männergremien öffnen sollen. Wenn diese Argumentation nicht hilft und auch wenn wissenschaftliche Untersuchungen dann zu Rate gezogen werden und die widerlegen, dass es gut ist, wenn auch Frauen sich in Führungspositionen beteiligen, wird man sich meist darauf einigen, dass man vielleicht Regeln aushandelt, die nicht so sehr zwingend sind. Also man wird sich darauf verständigen, irgendwie etwas zu formulieren, was aber nicht wirklich einzufordern ist. Die Politik appelliert in diesem Fall meist an die Wirtschaft, sie möge doch endlich einmal grundgesetzkonform sich verhalten. Diese verspricht es und wird dann oft mit feinen Preisen ausgezeichnet.


Genau das ist das Beispiel, wie es auch im Jahr 2001 passiert ist, als Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft die freiwillige Vereinbarung zur Förderung von Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft verabschiedet haben. Geschehen, meine Damen und Herren, ist in den knapp zehn Jahren weit, weit wenig. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsförderung konnte in den letzten Wochen diesbezüglich nur feststellen: Das Versprechen der Privatwirtschaft zur Verbesserung der Chancengleichheit für Frauen und Männer aus dem Jahr 2001 wartet bei den Führungspositionen immer noch auf Einlösung. Genau das ist der Punkt. Wir brauchen - auch wenn es um Aufsichtsräte und Quoten und Gremien geht - einen langen Atem, denn genau dieses Gesetz hat es gezeigt: Bis heute, also 2010, ist diesbezüglich nicht viel passiert.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aus dem Grunde, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir auch die Vermutung, dass den jetzt vorliegenden etwas modulierten Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Drucksache 5/325 ein ähnliches Schicksal ereilt. Der oft beschworene Kodex enthält zwar Forderungen, aber sie sind nicht wirklich gesetzlich einklagbar. Er enthält im Prinzip nur Erklärungen, er enthält also keine wirklichen Verpflichtungen. Man möge schauen, ob er wirklich umgesetzt werden kann, und man sollte schauen, ob Frauen angemessen beteiligt werden. Hier frage ich ganz ernsthaft: Was ist denn angemessen? Was ist denn eine angemessene Beteiligung? Ich kann mir vorstellen, dass eine Vielzahl von konservativen Politikern in der Wirtschaft die Beteiligung von Frauen in Aufsichtsräten oder in anderen Gremien als vollkommen überflüssig sieht. Ich kann mir auch vorstellen, dass genau diese Wirtschaftsvertreter meinen, eine angemessene Beteiligung von Frauen ist schon erreicht, wenn eine Frau im Aufsichtsgremium mitwirken kann. Wir glauben als Fraktion DIE LINKE, das ist nicht wirklich der Punkt, wie wir zu einer festgeschriebenen Quote kommen. Wir als LINKE sagen auch noch mal ganz deutlich, wir stehen gegen jede Diskriminierung, ob es nun von Hartz-IV-Empfängerinnen ist oder ob es um hochqualifizierte Frauen in Unternehmen geht, die sich nach der sogenannten gläsernen Decke strecken. Deshalb setzen wir uns an dieser Stelle noch einmal energisch gegen die Benachteiligung von Frauen ein und fordern ausdrücklich die paritätische Besetzung der Gremien für Aufsichträte mit Frauen und Männern.


Bislang konnte mir, konnte uns niemand eindeutig und überzeugend erklären, warum Männer eine sogenannte Bilanzlesefähigkeit in die Wiege gelegt bekommen haben, während Frauen grundsätzlich unterstellt wird, dass sie dies nicht könnten.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Hier ist mir innerhalb der Politik in den Gremien wirklich die Antwort verwehrt geblieben. Mir ist auch nicht klar, warum Männer eher in der Lage sein können, ein Unternehmen wirklich zu führen, als Frauen. Die Fraktion DIE LINKE hat in ihrem Entschließungsantrag noch einmal eindeutig formuliert: Wir setzen nicht auf die Freiwilligkeit. Wir wollen auch keine 40-prozentige Quote, nein, wir sagen, wir brauchen eine 50-prozentige Quote.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine größere Frauenbeteiligung würde - und das haben wir auch in unseren Entschließungsantrag reingeschrieben, ich würde noch einmal zitieren, den Herrn McKinsey - dazu führen, dass Unternehmen wirtschaftlicher und erfolgreicher arbeiten, je mehr Frauen in Führungspositionen besetzt werden. Mehr Frauen bringen also mehr Zuverlässigkeit, mehr ausgeglichenes Denken und natürlich einen vollkommen anderen Umgang auch in Krisenprozessen. Das haben wir auch in den zurückliegenden Jahren erlebt.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frauen erhöhen nachweisbar das Vertrauen bei Anlegern, aber auch bei Kunden. Und, werte Kolleginnen und Kollegen der FDP, ich schaue Sie hier noch mal ganz konkret an, weil, Sie haben ja in den letzten Wochen sich nicht so sehr positiv zu diesen Anträgen geäußert. Ich denke, genau das ist der Punkt, wo auch Sie diesen Anträgen zustimmen können, die heute zur Abstimmung vorliegen.


Ich habe, auch wenn es vielleicht für manche schon nicht mehr erträglich sein kann, nachdem es hier so laut ist im Plenum, auch in den letzten Wochen noch einmal intensiver bestimmte Artikel und Zeitungen recherchiert und ich bin auf einen sehr interessanten Artikel gestoßen, der vor gut zwölf Monaten in sehr vielen Medien in Deutschland zu lesen war. Frau Simone Bagel-Trah als promovierte Mikrobiologin, verheiratet, mit zwei Kindern, im Alter von 40 Jahren ist eine der mächtigsten Frauen in der deutschen Wirtschaft geworden. Sie leitet seit September 2009 sowohl den Gesellschafterausschuss als auch den Aufsichtsrat des Düsseldorfer Henkelkonzerns. Sie übernimmt also damit Verantwortung für ein Unternehmen mit rund 52.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit einem Jahresumsatz von ca. 14 Mrd. €. Sie ist die Ururenkelin des Firmengründers und sie ist die erste Frau in Deutschland, die eine solche Spitzenfunktion einnimmt. Die Medien titelten damals vor rund einem Jahr „Frauenpower bei Henkel“, „Die neue Persildame ist da“, „Revolutionärin ohne Revolution“. Der Verband der deutschen Unternehmerinnen lobte die Wahl dieser Frau als positives Signal und längst überfällig und die ehemalige Bundesfrauenministerin Ursula von der Leyen wertete den Aufstieg von Frau Bagel-Trah als ein wichtiges Signal für die Wirtschaft. Ja, es ein wichtiges Signal für die Wirtschaft, dem ist nichts hinzuzufügen. Weiterhin war viel Positives zu lesen von der KDFB, die eine Frauenquote von 50 Prozent forderte. Sie werden sich jetzt wundern, vor allem Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, es ist nicht eine kommunistische Vereinigung die KDFB, sondern es ist der Katholische Deutsche Frauenbund. Ich denke, auch an dieser Stelle können wir nur lernen von diesen Artikeln und von dieser Frau. Ich möchte nicht, dass wir auf solche positiven Ergebnisse, wie ich sie gerade vorgetragen habe, in Thüringen lange, lange warten müssen. Darum hat meine Fraktion mit dem Entschließungsantrag eine Grundlage gelegt, dass wir genau hier in Thüringen in den nächsten Jahren die Grundlagen schaffen können, damit Frauen auf Aufsichtsräte und Vorstandsgremien vorbereitet werden und dass eine 50-prozentige Regelung - also paritätisch besetzt - umgesetzt werden kann. Diesbezüglich haben wir in unserem Entschließungsantrag einen Stufenplan bis 2020 gefordert. Uns liegt daran, nicht zu warten, bis in Berlin eventuell eine Bundesgesetzgebung, eine Justizministerkonferenz Regelungen auf den Weg bringt. Das Land Thüringen kann, wenn es will und politisch dazu steht, eigene Vorbereitungen treffen, dass Frauen in Aufsichtsräten auch zukünftig vorbereitet werden und qualifiziert werden. Mit einem Pool, den wir vorschlagen, können und sollten sich bereits jetzt Frauen, die sich in der Lage sehen und auch wünschen, da eintragen können. Diese Frauen sollen langfristig qualifiziert werden, es sollen Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden, um sie zu befähigen, Führungspositionen zu übernehmen. Das heißt natürlich nicht, dass dieser Pool nur für Frauen gilt, sondern auch Männer müssen qualifiziert werden, sie haben es auch besonders notwendig. Wenn wir unseren Entschließungsantrag heute hier zur Diskussion und zur Abstimmung mit stellen, heißt das nicht, dass wir den Kontext und den Antrag, der jetzt mit zur Abstimmung steht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht mittragen. Wir werden ihn also mit Ja abstimmen, aber wir wollen gleichzeitig, dass bessere und vorzeitige Bedingungen auch für Thüringen geschafft werden, damit Frauen in Thüringen in Aufsichtsräten, in Vorstandssitzungen keine Seltenheit mehr bleiben, sondern dass es alsbald Realität wird.


Danke schön.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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