Thüringer Gesetz für barrierefreies Wählen

Zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 5/7014

Zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 5/7014


Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, werte Kollegen Vorredner, sicher hätten wir die Protokolle aus der Sitzung vom Juli nehmen können und genau die Argumente noch mal abwägen.


(Beifall CDU, SPD)


Denn, was Sie gesagt haben, Herr Gumprecht, was Sie gesagt haben, Herr Hey, das haben Sie im Prinzip im Juli hier schon erörtert.


(Unruhe CDU)


(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Es war ja auch nicht in Ihrem Entwurf.)


Aber, und an der Stelle sage ich jetzt auch noch mal ganz deutlich, und wir werden diese Anträge immer und immer wieder bringen.


(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Was?)


Weil, so lange, wie darüber diskutiert wird, ob Barrierefreiheit etwa eine Last ist oder zu teuer ist, so lange müssen wir also das Thema „Barrierefrei“ diskutieren.


(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Entschuldigung?!?)


Bis es zur „Lust“ wird und zu einer „Herausforderung“ für die Gesellschaft, wirklich Barrierefreiheit zu gestalten. Das ist unser Anspruch.


(Beifall DIE LINKE)


Werte Kolleginnen und Kollegen, es tut mir herzlichst leid, dass Barrierefreiheit und die UN-Behindertenrechtskonvention Geld kostet. Das haben wir als Fraktion DIE LINKE


(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Haben Sie schon mal was von technischen Punkten gehört? Wissen Sie, wovon Sie reden?)


hier seit viereinhalb Jahren immer und immer wieder diskutiert und argumentiert. Wir haben es auch nie abgestritten.


(Unruhe CDU)


Wir haben auch vor wenigen Monaten hier an der Stelle einen Antrag eingebracht, wo wir über den Maßnahmeplan,


(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Und Sie sind immer noch nicht weiter gekommen.)


über den Thüringer Maßnahmeplan einfach mal in den Ausschüssen reden wollten. Die Kolleginnen und Kollegen der Koalition haben es nicht einmal zugelassen, dass dieser Maßnahmeplan, wo auch Maßnahmen zur Barrierefreiheit formuliert worden sind, in die Ausschüsse geht, damit man dort noch mal Argumente austauscht, das Für und Wider beredet. Das habt ihr einfach ignoriert.


(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Ja!)


Darum werden wir solche Anträge, die Bürgerrechte, Menschenrechte beinhalten auch wieder in den Landtag einbringen. Das ist unser Recht! Menschen, die behindert sind, und da ist es egal, welche Behinderung sie haben, oder ältere Bürger mit Gebrechen haben das Recht, ein barrierefreies Wahllokal aufzufinden, wo sie ihr demokratisches Recht zur Wahl auch umsetzen können.


(Beifall DIE LINKE)


Ich finde es schon sehr anmaßend, Kollege Bergner, wenn Sie davon gesprochen haben, dass wir den Menschen was vorgaukeln, dass wir die „Bedürftigkeit“ ausnutzen.


(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Ist es nicht so?)


Damit implizieren Sie doch, dass ein Mensch mit Behinderung automatisch bedürftig ist. Das finde ich doch die Höhe, werte Kolleginnen und Kollegen.


(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Das ist eine absolute Frechheit, was Sie hier erzählen.)


Das ist nicht die Frechheit, das ist so.


(Beifall DIE LINKE)


Menschen mit Behinderung dürfen nicht einfach als bedürftig in Ihrem Sinne abgestempelt werden. Dagegen verwahre ich mich hier ausdrücklich.


(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Das ist unverschämt. Sie sind unverschämt!)


Ja, wir hätten die Argumente austauschen können. Der Unterschied zwischen dem Antrag vom Juli und unserem Gesetzentwurf heute ist:


(Unruhe FDP)


Im Juli haben wir uns auf die Bundestagswahl verständigt, und heute ist es ein Gesetzentwurf, der die kommunalen Wahlen und die Landtagswahlen 2014 im Blick hat. Und das ist schon mal der entscheidende Unterschied.


(Heiterkeit SPD)


Beim letzten Mal haben Sie uns erklärt, zu den Bundestagswahlen hätten wir gar kein Recht, einen Antrag zu machen und die Forderungen aufzunehmen zu barrierefreien Wahllokalen. Also haben wir das jetzt noch mal zum Anlass genommen, für die Kommunalwahlen und die Landtagswahlen im Jahr 2014 einen Gesetzentwurf einzureichen.


(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Europawahl! Was ist mit der Europawahl?)


(Unruhe CDU)


Das ist schon mal ein sehr weitreichender und großer Unterschied. Das olle Argument, Kollege Gumprecht, die Plattenbauschule.


(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Das war meins! Nicht mal das können Sie sich merken).

(Unruhe CDU)


Entschuldigung, das hat vielleicht was damit zu tun, dass Ihre Argumente einfach einheitlich waren, weil Sie es ablehnen. Damit wird es wohl was zu tun haben.


(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Sie haben es immer noch nicht begriffen.)


Also das dumme Argument, dass eine Plattenbauschule nicht barrierefrei hätte hergestellt werden können, ist einfach absurd. Gehen Sie doch einfach mal in die Stadtteile in Erfurt und andere Städte oder Landkreise, da ist in den vergangenen Jahren Barrierefreiheit hergestellt worden. Da wurden Rampen eingebaut, da sind Aufzüge angebaut worden.


Und ein nächstes Argument sage ich Ihnen, warum die Forderung nach barrierefreien Wahllokalen gut und richtig ist, die Vergangenheit hat es bewiesen, wer kreativ ist vor Ort, kann mit Vereinen und Verbänden, mit Wohnungsgenossenschaften auch Möglichkeiten finden, um barrierefreie Wahllokale anzumieten für dieses hohe demokratische Recht, wählen zu gehen.


(Unruhe FDP)


Das funktioniert. Und da können Sie weiter rumbrüllen, wie Sie wollen, wir sind der Auffassung, dieses Recht sollte zu 100 Prozent jeder Bürger in Thüringen, der betroffen ist, auch für sich in Anspruch nehmen können.


Ich will auch noch mal auf die Bemerkungen eingehen, die im Juli der Herr Innenminister zu unserem Antrag gemacht hat. Ich gehe mal davon aus, er wird sich dann wieder zu Wort melden, wo er im Prinzip gesagt hat, in unserer Begründung sei die Verpflichtung des Nachteilausgleichsgebots im Artikel 2 der Thüringer Verfassung und des UN-Abkommens über die Rechte der behinderten Menschen zur Herstellung der umfassenden Barrierefreiheit nicht vereinbar. Das haben wir uns noch mal genau angeschaut, denn Hinweise eines Ministers nehmen wir schon ernst. Ich kann jetzt an der Stelle nur entgegnen, dass beide Regelungen, sowohl die Thüringer Verfassung in Artikel 2 als auch die UN-Behindertenrechtskonvention, beinhalten individuelle, also letztendlich einklagbare Rechte für jeden einzelnen Menschen mit Behinderungen. Diese Regelungen der UN-Konvention wurden getroffen in Erkenntnis, wie wichtig diese individuelle Autonomie und Unabhängigkeit, Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen ist, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen. Also es steht in dem Punkt N der UN-Behindertenrechtskonvention noch mal zum Nachlesen, denn Sie haben es vorhin ja auch noch mal zitiert, dass der Zweck dieser Übereinkunft ist, dass die volle gleichberechtigte Teilhabe, also der volle Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für Menschen mit Behinderungen zu fördern und zu gewährleisten ist. Also es ist formuliert und es ist einklagbar. Und, werter Kollege Gumprecht, Sie haben vorhin auch Artikel 29 der UN-Behindertenrechtskonvention angerissen,


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Zitiert, nicht gerissen.)


angerissen, denn den ganzen § 29, den haben Sie nicht vorgelesen, und das würde ich gerne jetzt einmal ergänzen,


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Na, dann machen Sie es doch mal!)


denn darin steht unter anderem, dass die Vertragsstaaten sicherzustellen haben, dass ... „die Wahlverfahren,  einrichtungen und  materialien geeignet sind“ - bis dahin haben Sie zitiert -, zugänglich, barrierefrei, leicht zu verstehen und zu handhaben sind, also zugänglich, barrierefrei. Und da denke ich, zu der Zugänglichkeit und Barrierefreiheit gehört natürlich auch die Barrierefreiheit der Wahllokale.


Also die Argumente sind ausgetauscht. Ich würde gern - und mein Kollege Nothnagel hat es bereits angekündigt - in dem zuständigen Ausschuss auch noch mal mit Betroffenenvertreterinnen und  vertretern argumentieren und mich auseinandersetzen. Darum noch mal von meiner Stelle auch die Bekräftigung, unseren Gesetzentwurf an die Ausschüsse zu überweisen, dann kann vielleicht die Fragestellung Ihrerseits, ob es denn sinnvoll ist oder nicht, durch die Betroffenenverbände noch mal begründet werden. Das wäre gelebte Demokratie auch im Vorfeld der Kommunalwahlen, Europawahlen und natürlich auch der Landtagswahlen. Danke schön.


(Beifall DIE LINKE)


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